Weitere Vorwürfe gegen NS-Mörder

Der ehemalige Polizeikommandant Maikovskis soll nach Ermittlungen des jüdischen Dokumentationszentrums an der Ermordung von über 15.000 Menschen beteiligt gewesen sein  ■  Von Gerd Nowakowski

Berlin (taz) - Der am Mittwoch in Münster vorläufig festgenommene lettische NS-Kriegsverbrecher Boleslavs Maikovskis soll an der Ermordung von insgesamt 15.199 Menschen beteiligt sein. Dies ergibt sich aus den Unterlagen des jüdischen Dokumentationszentrums in Wien. Der Leiter des Zentrums, Simon Wiesenthal, habe sich seit 1966 mit dem Fall beschäftigt. Bislang war in der Bundesrepublik lediglich die Zerstörung des lettischen Dorfes Autrini und die Ermordung sämtlicher 200 Einwohner, darunter Frauen und Kinder, bekannt.

Der 84jährige Maikovskis war damals Kommandant der lettischen Hilfspolizei in der Kreisstadt Rossiten gewesen. Verantwortlich sei Maikovskis über die Befehligung und persönliche Beteiligung am Autrini-Massaker hinaus auch für die Ermordung Hunderter Roma im Kreis Rezekne und die Verschickung von 1556 Menschen in deutsche Konzentrationslager. Nachweisbar sei auch die Ermordung einer Vielzahl von politischen Gefangenen in lettischen Gefängnissen; darunter auch einer Gruppe von 83 Gefangenen im Oktober 1942.

Die USA untersuchte seit einem Auslieferungsbegehren der UdSSR im Jahre 1976 die Vorwürfe gegen Maikovskis. Recherchen des „Office of special Investigation“ des US -Justizministeriums bestätigten die Ermordung Tausender Juden und Roma. In den Verhandlungen, die mit der Deportationsanweisung für Maikovskis im Jahre 1986 endete, wurden auch Zeugen aus Israel gehört. In der BRD ist nur gegen Maikovskis Vorgesetzten Eichelis wegen Mordes in zwei Fällen verhandelt worden. Bevor das Urteil - sechs Jahre Haft - rechtskräftig werden konnte, war dieser verstorben. Das Material des Eichelis-Prozesses dient nun der zuständigen Staatsanwaltschaft der nordrhein-westfälischen Zentralstelle für NS-Verbrechen als Grundlage für ein Ermittlungsverfahren gegen Maikovskis.

Ob Maikovskis in U-Haft genommen wird, war bis Redaktionsschluß noch offen. Es hieß intern, unter ärztlicher Aufsicht sei der 84jährige haftfähig. Der zuständige Dortmunder Oberstaatsanwalt Schacht war vor drei Monaten heftig vom Zentralrat der Juden in Deutschland und von Simon Wiesenthal wegen Untätigkeit kritisiert worden. Anlaß war die Auslieferung des SS-Mannes Anton Malloth von Italien an die BRD. Schacht hatte keinen dringenden Tatverdacht gesehen, obwohl Malloth bereits in der CSSR in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde. Malloth befindet sich auf freiem Fuß und wohnt in München. Schacht betonte am Donnerstag, es werde weiter gegen Malloth ermittelt. Das in Abwesenheit ergangene Todesurteil aus der CSSR habe sich nur auf einen Fall bezogen, wobei es keine Tatzeugen gab, sondern nur Zeugen vom Hörensagen. „Das reicht mir nicht“, sagte Schacht. Wiesenthal hatte darauf verwiesen, daß es viele konkrete Tatvorwürfe gegen Malloth gebe. Unter anderem sind im KZ Theresienstadt schriftliche Aussagen von über 2.000 ehemaligen Häftlingen über Malloths Grausamkeiten archiviert.