Öffentlicher Dienst ätzend

■ ÖTV erwartet 200 FunktionärInnen zur ersten Arbeitsschutzkonferenz

Orange Hütchen stehen auf der Fahrbahn, ein Verkehrsschild verkündet: „Achtung, Markierungsarbeiten!“ Die neuen Richtungspfeile bestehen aus Kunststoff-Folie. Beim Erhitzen verdampfen Lösungsmittel, krebserzeugende Benzole entstehen.

Die Beschäftigten bei der Straßen-Unterhaltung leben gefährlich. Neben Autoabgasen und Lärm sind sie vermehrt chemischen Belastungen ausgesetzt. Straßenarbeiter, die mit dem Preßlufthammer alte Fahrbahnbelege abreißen, inhalieren Partikel des hochgradig krebserzeugenden Steinkohlenteerpechs.

Auch die Putzkolonnen, die Schulen und Krankenhäuser auf Vorderfrau bringen, werden vom Job krank: Viele Reinigungsmittel enthalten Salmiak oder Ammoniak. Verätzungen, Hautallergien und Schäden im vegetativen Nervensystem sind die Folge. Alte Desinfektionsmittel enthalten häufig Formaldehyd. Weil die Frauen in derselben Zeit immer größere Flächen saubermachen müssen, wird an Reinigungs-Chemie nicht gespart. „Die Frauen langen da kräftig hin!“ erzählt Angelika Pensky von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz.

Arbeitsschutz - das war eine der ersten Forderungen der Gewerkschaften im letzten Jahrhundert. Aber im Laufe der Jahre haben sich GewerkschaftlerInnen die „Gesundheit abkaufen lassen“, wie Artur Lau von der ÖTV selbstkritisch eingesteht. Statt auf Beseitigung der Gefahren zu drängen, hätten die Gewerkschaften häufig bloß Lohn-Zulagen für Erschwernisse und Gesundheitsrisiken ausgehandelt.

Mit dieser fatalen Tradition will Bremens ÖTV nun brechen. Die StaatsdienerInnen-Gewerkschaft erwartet am Montag 200 FunktionärInnen zu ihrer ersten Arbeitsschutzkonferenz im DGB-Haus. In Bremens öffentlichem Dienst sei es um die Gesundheit der Beschäftigten besonders schlecht bestellt. Arbeitsmediziner fehlen. Eine neue „Gefahrstoffverordnung“ sei in der Hansestadt überhaupt noch nicht umgesetzt. Die ÖTV fordert, daß Beschäftigte künftig mit Fug und Recht bei Verstößen gegen die Gefahrstoffverordnung die Arbeit verweigern können.

Besonders pikant: Die neue Gefahrstoffeverordnung gilt seit diesem Jahr auch an Schulen und Hochschulen. Das Gewerbeaufsichtsamt ist aber personell völlig überfordert, die Einhaltung der neuen Bestimmungen bei Schülern und Studentinnen zu überwachen. Dabei lagern nach Informationen der ÖTV in Bremens Schulen „tonnenweise“ alte, formaldehydhaltige Reinigungsmittel. Kürzlich waren in einer Schule im Bremer Osten Plastikbehälter mit alten Reinigungsmitteln porös geworden und ausgelaufen. Von „kleinen Bomben in den Schulen“ spricht Artur Lau von der ÖTV.

Zu dem Kreis der gefährdeten MalocherInnen gehören auch etwa 1.000 Beschäftigte bei Stadtentwässerung und Stadtreinigung. Wer im Klärwerk, auf einer Deponie, in der Kanalreinigung oder bei einer Schadstoffsammelstelle arbeitet, trägt eine hohes Gesundheitsrisiko. Nach Angabe der ÖTV hält es keiner bis zum gesetzlichen Rentenalter aus; Frühpensionierungen mit 55 Jahren seien an der Tagesordnung. Von zehn Beschäftigten in dem Risiko-Bereich sind drei ständig krankgeschrieben.

Die Amtsleiter reagieren auf ihre Weise auf die hohen Gesundheitsrisiken. So weigert sich das Stadtreinigungsamt, die Filterstäube aus den städtischen Krematorien abzuholen. Die sterblichen Überreste der BremerInnen sind nämlich hochgradig mit Cadmium belastet. „Das ist Sondermüll“, heißt es bei den Stadtreinigern.

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