WAS GESCHIEHT

■ „Was machen Pina Bausch und ihre Tänzer in Wuppertal?“

Was geschieht im Körper beim Weinen und Lachen, wie bewegt man sich, wenn man Kind und getröstet sein will, wie sucht man Nähe, wie fällt das Alleinsein in einen selbst zurück? Pina Bausch fragt, die Tänzer sammeln Beobachtungen. Das eigene Gedächtnis des Körpers wird aktiviert, aus der vagen Geste entsteht Genauigkeit.

Klaus Wildenhahn hält winzige Ausschnitte der Entstehung von Choreographie fest - Denken, Gedächtnis und Intelligenz des Körpers zeigen sich. Pina Bausch und ihre Tänzer verbindet ein fortwährendes Fordern und Geben, Suchen und Nehmen. Wildenhahn dokumentiert Fragmente, die noch ungeordnete Sammlung tänzerischer Notizen, doch deren Entstehung ist so spannend, daß man das fertige Stück nicht vermißt.

Dem Innern des Probenraums steht die Außenwelt Wuppertals gegenüber. Wildenhahn gibt den Bildern den Charakter des zufällig Aufgelesenen. Zwischen Peepshow, Schwebebahn, Schrebergärten und Industrie-Ruinen kehrt er immer wieder zu einer Rentnerin zurück, die erzählt, wie sie bei der Arbeit am Band fast verrückt geworden ist.

Wuppertal: eine Stadt. Doch was man sieht und hört, hat außer diesem äußeren Rahmen auch einen inneren Mittelpunkt: den von der Erfahrung geprägten Körper. Die Rentnerin geht den Weg vom nicht mehr aushaltbaren Erleiden und der Zerstörung ihres Körpers hinaus in die Sprache. Erst seitdem sie nicht mehr in der Tretmühle eingespannt ist, kann sie darüber reden. Die Tänzer gehen von den Worten, die vage geworden sind, zurück zu der Erfahrung am eigenen Leib. Tanztheater wird zur konkreten Kunst. Erklärung von Bedeutung ist überflüssig, da sich die Frage danach nicht mehr stellt.

Bei einigen Außenszenen versucht Wildenhahn den Blick zu intensivieren: Er läßt weniger Bilder am Auge des Betrachters vorbeifließen, als er gedreht hat. Diese Zerdehnung in Slow-Motion ist hier mehr als ein routinierter Kunstgriff der Verfremdung des Alltäglichen: der Film sucht damit eine Annäherung an die Schärfe der Wahrnehmung für das Minimale und Unbeachtete, wie sie aus der Arbeit der Tänzer erfahren wurde.

Der Film ist auch in jedem seiner Bilder eine Liebeserklärung: an das Wasser der Wupper, in dem die Bewegung der Schwebebahn nachzittert, an die Rentnerin, an Pina Bauschs ewig Zigaretten haltende Hände, an das Baby, das während der Proben überall herumkrabbelt und niemand zu stören und niemand zu gehören scheint, und an die Tänzer.

Katrin Bettina Müller

„Was machen Pina Bausch und ihre Tänzer in Wuppertal?“, Sa und So im Eiszeit, 22.30 und 23 Uhr.