Spionin straft Albrecht Lügen

Regierungseiertanz in Hannover Informationen über Auslandseinsatz einer niedersächsischen V-Frau / Verfassungsschutz-Frau widerspricht Regierungschef / Innenminister Hasselmann abgehalftert  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Einsätze einer V-Frau des niedersächsischen Verfassungsschutzes im Nahen Osten haben bei Ministerpräsident Ernst Albrecht und dem Innenministerium in Hannover ein kopfloses Durcheinander von Rechtfertigungen und Dementis ausgelöst. Ernst Albrecht selbst, der inzwischen Wilfried Hasselmann zum Innenminister ehrenhalber auf Abruf befördert hat, mußte am Donnerstag nachmittag gleich zwei offizielle Versionen des Einsatzes der V-Frau Angelika Nies produzieren. Nies hatte in den Jahren 1981 bis 1983 dem Landesamt für Verfassungsschutz Berichte aus dem Nahen Osten geliefert. Eine erste Rechtfertigung des illegalen Auslandseinsatzes der V-Frau, die der Ministerpräsident über das Innenministerium verbreiten ließ, sorgte auch in der niedersächsischen FDP-Landtagsfraktion wieder einmal für viel Aufsehen und Kritik.

V-Frau Nies selbst hat inzwischen auch der zweiten Version von Ernst Albrecht - sie sei privat ohne gezielten Auftrag des Verfassungsschutzes in den Nahen Osten gereist - noch einmal energisch widersprochen. Bei ihren zum Teil mehrmonatigen Reisen nach Jordanien und in den Libanon habe sie von vorherein den Auftrag gehabt, für den niedersächsischen Verfassungsschutz etwas über die Beziehungen der PLO zu bundesdeutschen „Terroristen“ in Erfahrung zu bringen. Frau Nies hat nach eigenen Angaben bereits vor ihren sechs bis sieben Auslandseinsätzen im Auftrage des niedersächsischen Verfassungsschutzes Kontakte zur Bonner PLO-Vertretung geknüpft. Im Nahen Osten hat sie dann zahlreiche hochrangige PLO-Vertreter getroffen und regelmäßig Berichte über die allgemeine politische Situation nach Hannover gesandt. Fortsetzung auf Seite 2

Auf bundesdeutsche Terroristen ist die Verfassungsschutzagentin dabei allerdings nicht gestoßen. Ihre Auslandseinsätze endeten im April 1983 mit ihrer Festnahme durch den Jordanischen Geheimdiest, der sie nach dreitägigen Verhören per Freiflug in die Bundesrepublik abschob.

Das niedersächsische Innenministerium hatte sein erstes Dementi zum illegalen Auslandseinsatz gegenüber dem ZDF -Fernsehmagazin „Kennzeichen D“ abgegeben, das den Auslandseinsatz von Frau Nies in seiner letzten Ausgabe am Mittwoch abend aufgegriffen hatte. Am Donnerstag nach dem Fernsehbeitrag modifizierte das Innenministerium dieses Pauschal-Dementi aller Auslandseinsätze des Verfassungsschutzes auf Veranlassung von Ernst Albrecht durch eine knappe Drei-Punkte-Erklärung. Darin wird zwar jede „nachrichtendienstliche Auslandsaufklärung“ des Verfassungsschutzes geleugnet, es heißt aber andererseits: „Die Verfassungsschutzbehörden sind befugt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit auch Informationen aus dem Ausland zu beschaffen.“

Diese sibyllinische Erklärung verärgerte die FDP-Fraktion am Donnerstag derart, daß eilends ein Koalitionsgespräch mit Albrecht anberaumt wurde und Albrecht am gleichen Abend vor der Presse eine neue Rechtsposition der Landesregierung verkünden mußte. Nach dieser Position von Albrecht, darf der Verfassungsschutz „gezielt nur dann jemanden ins Ausland schicken, um Informationen einzuholen, wenn das mit den entsprechenden ausländischen Behörden abgesprochen ist“. Da es solche Absprachen bei den Einsätzen von Frau Nies, wie deren Verhaftung in Jordanien beweist, nicht gab, definierte Albrecht die Einsätze auf eilends einberufenen Pressekonferenz dann schnell zu Privatreisen um und erklärte, er habe den Eindruck, daß der Verfassungsschutz rechtmäßig gehandelt habe. Innenminister Hasselmann tauchte in Sachen V-Frau wie schon vorher im Fall Mauss nicht mehr auf.