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Premiere im freiraum-theater: Erwi & Alvi's absurdes Traumtheater „ungelobtland“ ist reiches und armes Theater: Arm an (Bühnen-) Mitteln, reich an Ausstrahlung  ■  Von Hans Happel

Aus wenigen Mitteln Bilder zu machen, poetische Bilder, Übersetzungen aus der Literatur auf die Bühne, das versuchen Erwing Rau und Alvaro Solar in ihrem neuen Stück „ungelobtland“, das am Samstagabend im Bremer freiraum -theater Premiere hatte.

Mit Musik, Körperspiel, Sprache und einem einzigen Spielgerüst gelingt es ihnen, das Publikum auf den Weg in die fremde Welt der Erzählungen Gabriel Garcia Marquez zu führen. Auf der Bühne steht ein Baugerüst mit Spaten, Brettern, vielfältig verwendbaren Gestängen.

Erwi und Alvi als dezent gekleidete Bürokraten taxieren das Geländer, die Landvermesser einer neuen Welt gefährden das mit Ecken verhängte Provisorium, das einem Totengräber und einem Straßenhändler als Notunterkunft dient.

Mit Trommeln, Flöten und Gesang beginnt die Entführung

ins „weltweite Durcheinander“ der fantastischen Begebenheiten. Aus der Begegnung zwischen zwei armen Schluckern, die nichts besitzen außer ihrer Kleidung auf der Haut, außer Koffer, Hut, Regenschirm und ein paar Stiefeln, entwickeln sich über Wortspiel und Assoziation die Erzählungen.

Erwi & Alvi tauchen in die Geschichte Estevan ab, des „schönsten Ertrunkenen der Welt“, den die Frauen, die ihn am Strand finden, ihren Männern vorziehen, und sie erzählen von Nabo, dem Langschläfer, der die Engel fünfzehn Jahre warten ließ.

Die Figuren verlassen nicht den Boden ihrer Wirklichkeit, die Poesie als „Land der ungeahnten Möglichkeiten“ ist keine schöne Flucht, die Erzähler bleiben, was sie sind und wo sie sind. Sie nehmen sich die Hoffnung, „die nichts kostet“, die Wut und Geduld, „die umsonst sind“.

„ungelobtland“ in der Inszenierung des Argentiniers Mar

cello Diaz ist ein Lied auf das (un-)gelobte Land der „Fantasielabyrinthe“ (Marquez), die in der gegenwärtigen deutschen Literatur so wenig Platz haben. Erwing Rau als Verkäufer spielt einen chaplinesken, heftig grimmassierenden Komiker, der seinen Partner, den erzählenden Totengräber, (Alvaro Solar) mit Fragen und Kommentaren und Bemerkungen unterbricht.

Nach der Pause verlieren sie für einen Augenblick das Tempo und die Dichte, von dem ihr Spiel lebt. Das Netz der Bilder aus Traum und Realität droht zu reißen. Erwi und Alvi fangen sich schnell, ihre Ausstrahlung rettet die sprachlich komplizierte Sequenz.

Am Schluß kommen sie auf den Anfang zurück, das Gerüst auf der Bühne fällt zusammen, aber die Einladung ins Fantasielabyrinth der fantastischen Geschichten, ins weltweite Durcheinander, das mit „leibeigenen Augen“ schwer zu sehen ist,

bleibt bestehen.

Erwi & Alvis absurdes poetisches komisches Traumtheater ist ein reiches und armes Theater zugleich: Arm an Mitteln (mit einem raffiniert einfachen Bühnenbild) und reich an lebendiger Ausstrahlung. Ungelobtland ist ein anrührendes Land.

Nächste Aufführungen: 27. bis 30. Oktober, jeweils 20.30, im freiraum-theater, Grundstraße