Nicht jeder Ölschlamm wird entsorgt

■ MARPOL nach fünf Monaten: Maritime Ölentsorgung zum Nulltarif / Jedes zehnte Schiff läßt in Bremen seine Altöltanks leerpumpen / Reicht die Staatsknete? / Hamburger Aufarbeitungsanlagen sind überlastet

Öl verklebt nicht nur das Gefieder der Seevögel. Es macht auch die Robben krank und schädigt Plankton und Fischeier. Die aromatisierten Kohlenwasserstoffe,

die im Öl enthalten sind, töten das Leben am Strand, im Watt und auf dem Meeresgrund. Ölrückstände über Bord zu pumpen ist den Kapitänen dennoch in der Nordsee

nicht verboten. Aber: Seit dem ersten Juni dieses Jahres können sie die giftigen Schlämme gemäß dem internationalen MARPOL-Abkommen auch „entsorgen“ lassen - in den bundesdeutschen Häfen zum Nulltarif.

Etwa zehn Prozent der Schiffe, die die bremischen Häfen anlaufen, haben seitdem von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Tendenz ist steigend. Werden die bereitgestellten Mittel reichen? Für dieses Jahr sicher, sagte Hafenkapitän Ernst Günter Stender. Bis 1991 läuft das Pilotprojekt, solange übernehmen Bund und Küstenländer die Kosten. Ob die 2,4 Millionen Mark, die in Bremen jährlich bereitstehen, ausreichen, mochte Stender nicht zu sagen.

Fast alle Altöle und Schlämme, die in Bremen aus den Abfalltanks der Schiffe gepumpt werden, kommen in die Kläranlagen der „Hamburger Ölverwertungsgesellschaft“ (HÖG). Das Wasser, das in den Abfallgemischen enthalten ist, fließt in die Elbe. Der Rest wird als Sondermüll deponiert oder landet in den Verbrennungsöfen der Abfall -Verwertungsgesellschaft (AVG), die mit der Hitze aus dem Ölschlamm das Hamburger Fernwärmenetz speist. Beide Betriebe sind an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit gelangt. Die Kläranlage der HÖG ist auf 100.000 Tonnen Ölschlamm pro Jahr ausgelegt, hat aber in den

letzten Monaten Mengen verarbeitet, die sich auf einen Jahresdurchsatz von 150.000 Tonnen hochrechnen lassen.

In Bremen und Bremerhaven verdienen acht private Firmen am Altöl-Boom. Mehr schlecht als recht liefen ihre Geschäfte, als die Reeder für die Entsorgung ihrer Abfälle noch bezahlen mußten. Jetzt haben sie Aufträge genug. Die Firma Fehner zum Beispiel, die mit drei kleinen Tankschiffen die Ozeanriesen entsorgt, mußte acht neue Seeleute einstellen, ihre Belegschaft verdoppeln.

Wenig begeistert sind die Entsorgungsunternehmen darüber, daß die Hafenbehörde es mitunter auch ablehnt, die Entsorgungskosten zu übernehmen. Das sei ihr Recht, meint Hafenkapitän Stender, wenn die Schiffe soviel Ölschlamm an Bord hätten, daß er unmöglich allein aus dem Betrieb der eigenen Schiffsmaschine stammen könne. Es sei zum Beispiel denkbar, daß in einem ausländischen Hafen Ölrückstände von einem Schiff zum nächsten gepumpt würden, wenn das dann in Richtung auf einen bundesdeutschen Hafen, also kostenlose Entsorgung, auslaufe. Die kostenfreie Abnahme werde auch verweigert, wenn die Rückstände unzulässig vermischt seien.

Dennoch: Die Abfall-Unternehmer sind über die entgangenen Geschäfte verärgert. Ihr Argument: Wenn ein Kapitän letzten

Endes doch für die Entsorgung bezahlen muß, wird er - wie bisher - sein Altöl auf hoher See loswerden.

Der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Manfred Schramm befürchtet, daß die Staatsgelder für die kostenlose Entsorgung für die nächsten Jahre nicht ausreichen.

Zumal die Mittel nicht nur für die Ölentsorgung, sondern auch für Investitionen der Entsorgungsunternehmer bereitstehen. Bisher jedoch, so Hafenkapitän Stender, hat noch kein Bremer Unternehmer Gelder für Investitionen beantragt.

mw