Eine Telefontechnik verändert das Leben

■ Ab 1990 beginnt auch in Bremen das Zeitalter der digitalen Telekommunikation, genannt ISDN / Computervernetzung und Heimarbeit am Terminal werden betriebswirtschaftlich sinnvoll / Kommunikation wird umfassend kontrollierbar

ISDN - „Ist sowas denn nötig? “ So kürzt der Pressesprecher der Bremer Oberpostdirektion, Antelmann das Zauberwort der Telekommunikation für das nächste Jahrtausend ab allerdings nur im Witz. Tatsächlich ist nämlich längst über die Einführung der digitalen Übermittlung von Sprache und Daten über das Telefonnetz entschieden. Ab 1990 soll in Bremen damit begonnen werden, ab 1992 soll es ISDN -Anschlüsse in der gesamten Region geben. Worum geht es eigentlich?

Als Menschen vor 150 Jahren miteinander kommunizieren wollten, trafen sie sich im Salon oder im Gasthaus. Erst die Erfindung der Telegraphie stellte einen direkten Kontakt zwischen Menschen her, die sich nicht in Sichtweite befanden. Und erst Daniel Bells Erfindung der Umwandlung menschlicher Sprache in „ana

loge“ elektrische Wellen, die sich per Kabel transportieren, und in einer Hörmuschel wieder in Sprache zurückverwandeln ließen, legte den Grundstein für die heute überwiegende Kommunikationsform: das Telefongespräch.

Alle späteren technischen Erweiterungen - wie z.B. das Telex-Gerät oder das moderne „Telefax“, mit dem Grafiken und Briefe übermittelt werden können, - beruhen auf dem gleichen Prinzip: Die Daten werden in elektroakustische, „analoge“ Schwingungen übersetzt und durch das normale Telefonkabel geleitet. ISDN verhält sich zum Telefon dagegen wie der Computer zum Rechenschieber. Die übermittelte Nachricht wird „digitalisiert“, das heißt per Elektronik in Ja-Nein-Impulse zerlegt, übermittelt, und beim Empfänger wieder entschlüsselt.

Was zunächst wie eine nebensächliche technische Finesse klingt, wird nicht zu unrecht in Werbebroschüren als „Revolution“ bezeichnet - allerdings in einem anderen Sinn, als die Post-Reklame vermuten läßt. Der Unterschied zwischen analoger und digitaler Nachrichtenübermittlung liegt nicht nur in den stark gesteigerten Übertragungsgeschwindigkeiten'sondern auch in der Möglichkeit der totalen Kontrolle aller Kommunikationswege und theoretisch sogar der Kommunikationsinhalte. Beides zusammen - Schnelligkeit und elektronische „Überschaubarkeit“ - werden die Kommunikation im ISDN -Zeitalter ähnlich stark verändern, wie die Umstellung vom Diskurs im Salon zum Telefonanruf.

Gebühren steuern

Während auch im ISDN-Zeitalter der private Telefonanschluß 27.-Mark im Monat kosten wird, bahnt sich für gewerbliche Nutzer ein rasanter Preisnachlaß an: Um ca. 50 Prozent billiger werden Telekopien, um 70 Prozent sinkt der Preis für „Teletex“, den digitalen Ersatz des alten „Telex“. Doch die größte Bedeutung werden die Preissenkung von ca. 90 Prozent im Datex-Bereich haben.

Mit „Datex-L“ und „Datex-P“ bietet die Post dann extrem

billige Verbindungen zwischen Computern an. Damit wird nicht nur die „on-line„-Schaltung von Kaufhaus-Kassen mit den

Großrechnern der Banken attraktiv (der Einkauf wird dann

bargeldlos direkt vom Bankkonto abgebucht), sondern auch die Einrichtung von Heimarbeitsplätzen am Computer-Terminal.

Post sammelt Daten

Nach der Digitalisierung wird die Telefonrechnung jeden einzelnen Anruf verzeichnen: die gewählte Nummer, Dauer der Verbindung, Datum und Uhrzeit erhöhen dann nicht nur die Selbstkontrolle, sondern bleiben auch im Datenzentrum der Post-Ortsvermittlungsstellen gespeichert. Zwar sind bereits Löschfristen und enge Zugangsberechtigungen für diese Daten festgelegt, es handelt sich dabei jedoch nicht um ein Gesetz, sondern um Verordnungen, die jederzeit geändert werden können.

Beim Anruf mit einem ISDN-Telefon wird die eigene Telefonnummer mitübermittelt. Dies solle dazu dienen, daß kein wichtiger Anruf mehr verpaßt wird, heißt es in der Post -Werbung. Den z.B. in der Telefonseelsorge genutzten Vorteil der Anonymität des Telefongesprächs wird es

dann nicht mehr geben. „Aber auch keine belästigenden Anrufer mehr“, meint Post-Pressesprecher Antelmann.

Zwar kann die Weitergabe der eigenen Telefonnummer auch gesperrt werden, dann allerdings grundsätzlich. Es ist abzusehen, daß Anrufer, die sich nicht durch die eigene Nummer zu erkennen geben, künftig als unseriös empfunden werden. Die Wahlmöglichkeit bei jedem Anruf sei zu teuer, argumentiert die Post.

In anderen Bereichen zeigt sich das Monopol-Unternehmen jedoch weniger knauserig. Die gewaltigen Investitionen in die neue Technik läßt es sich aus dem Überschuß der 20 Mio Telefone in Privathaushalten bezahlen. Zumindest die werden sich auch nach 1992 noch fragen: „ISDN - Ist sowas denn nötig? “

Dirk Asendorpf