ZISCHT UND VERDAMPFT

■ 15 Jahre Galerie Georg Nothelfer

Nach so viel „Positionen heutiger Kunst“, „Zeitlos„en Künsten und „Stationen der Moderne“ leistet sich zur Feier des 15jährigen Bestehens seiner Galerie auch der Galerist Georg Nothelfer eine Retrospektive seiner Arbeit und baut damit so ganz nebenbei auch hier einen Rückblick auf die Geschichte der abstrakten Malerei auf, von Tachismus und Informel, von beschriebenen, zerritzten und verkratzten Leinwänden, von Material- und Spuren-Bildern bis zur endlichen Entdeckung der figürlichen Gespenster in den malerischen Gesten. Bilder von denen, die Nothelfer erst in der Knesebeckstraße, dann in der Uhlandstraße und vorübergehend in Riehmers Hofgarten ausstellte, sind als imaginäre Gratulanten, die nicht vergessen, sich selbst zu feiern, an drei Orten in der Uhlandstraße und am Kudamm angetreten.

Im Blitzgespräch beschreibt Nothelfer seinen Erfolg als ein beinahe zufälliges Gold, für das er eigentlich nichts kann, das er aber dennoch als sehr wohl verdiente Belohnung für langes und hungriges Ausharren inmitten eines Berges von Bildern, die keiner kaufen wollte, sieht. Mit der Renaissance der informellen Malerei, mit dem wieder erwachten Interesse an den Heroen der Freiheit der Farbe wie Schmacher, Thieler und der Entdeckung der zweiten Generation ihrer Nachfahren wie ter Hell, bekam die Freiheit und Unabhängigkeit der Kunst, die Nothelfer auch in der Arbeit eines Galeristen findet und tapfer verteidigt, ein ökonomisches Polster untergeschoben.

An den weißen Wänden der Galerie in der Uhlandstraße und im Mezzano deplana stoßen sich Kunst und Kommerz nicht - am dritten Ausstellungsort, im Kudamm-Karree aber knallen sie um so härter aufeinander. Es braucht große starke Bilder, um gegen die Boutiquen-Bahnhofsatmosphäre anzustinken und über dem Neonlicht und den Schaufenster-Auslagen wird selbst die subjektive und gestische Malerei zum dekorativen Farbeffekt reduziert. Ein schlechter Ausstellungsort? Vielleicht, aber ein realistischer Ort, der die falschen Illusionen über den Verbleib und den Zweck der Kunstwerke zertrümmert, die nicht an den neutralen Wänden der Museen landen. Vielleicht müßte man sich immer einen Rahmen zur Schau gestellter Kaufkraft um die großen Formate herum denken. Diese synthetische Atmosphäre raubt den Gesten der Maler ihre Vehemenz, vereinnahmt spielend ihre Eigenwilligkeit und läßt sich von ihren Verstörungen nicht irritieren. Alle Reflexionen über das Wesen der Malerei, jeder kritische Umgang mit ihrer Leistungsfähigkeit, verpufft.

Von Helmut Middendorf hängt dort Die Straße, ein existentialistischer Spätexpressionismus von 1984: schreiend gelb mit roten Feuerzungen durchsetzt, stürzt die Straße auf den Betrachter zu und treibt einen Mann vor sich her, der in seiner Ohnmächtigkeit flieht und ihr nichts entgegenhalten kann - selbst die Farbe hat er schon angenommen. Doch die Straße als öffentlicher Ort, der aufregend, aufschlußreich, voller Gegensätze, Gefahren und Erfahrungen sein kann, ist im Kudamm-Karree schon nostalgische Erinnerung. Hier wird die Wahrnehmung eingelullt und auf dämmerndes Niveau gedrückt. Vielleicht ist es diese Verkümmerung und Empfindungslosigkeit unter der Glasglocke des Konsumenten -Paradieses, die man in den verschlossenen, larvenähnlichen Gestalten Max Neumanns findet. Da stehen zwei Männer beziehungslos, mit ins Nirgendwo blickenden Gesichtern in einem weißen Faß. Hinter ihnen stürzt vom oberen Bildrand eine Frau auf einem Stuhl kopfüber ab, aber dies bleibt bedeutungslos. Die Katastrophe hat sich im dunklen Hintergrund schon fast in Unsichtbarkeit aufgelöst, die Gefährdung wird nicht mehr wahrgenommen.

Katrin Bettina Müller

„Das ist es!“ 15 Jahre Galerie Georg Nothelfer. Uhlandstraße 184 (Di-Fr 14-18.30 Uhr, Sa 10-14 Uhr), Mezzano deplana, Kurfürstendamm 36, und Kurfürstendamm 206-209 (tägl. 10-22 Uhr), bis 31.Oktober.