Vom Arbeitersportverein zu Katarina Witt

■ Ausstellung zum 40jährigen Bestehen des Deutschen Turn- und Sportbundes der DDR / Mit dem Kampfgruß „Rot Sport“ in den Klassenkampf der zwanziger Jahre / Sport jetzt als politische Selbstdarstellung - nur die Turnschuhe sind aus dem Westen

Was für eine Mischung: Karl Marx neben dem Carmen-Kostüm von Katarina Witt, ein 170 Jahre altes Turnpferd in der Nachbarschaft von Erich Honecker, der auf einem klapprigen Fahrrad sitzt.

Die Ausstellung „40 Jahre Sport Frei“ anläßlich des 40jährigen Bestehens des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) der DDR macht es möglich. Unter dem Fernsehturm am Alexanderplatz haben die DDR-Sportfreunde so ziemlich alles zusammengetragen, was sich an sporthistorischen Materialien finden ließ. Aus über 8.000 Angeboten, die nach einer Anzeige im Ost-Berliner 'Sportecho‘ ausgewählt wurden, werden nun 800 Exponate und 400 Fotos gezeigt.

Breit ausgewalzt haben die Organisatoren natürlich die endlose Reihe der DDR-Erfolge im Spitzensport seit 1948 (Anabolika sei Dank! - d.S.). Dementsprechend findet sich ein eigener Glaskasten, der für das aktuelle Aushängeschild des realsozialistischen Sportbetriebes reserviert wurde: Heike Drechsler. Heike als Spartakiadeteilnehmerin, Heike als Weltrekordlerin, Heike als strahlende Europameisterin... Sport als Mittel zu internationaler Anerkennung, Sport als Mittel zur Selbstdarstellung - hier dokumentiert sich die politische Absicht offen und unzweideutig.

Spannend wird es in dem Teil der Ausstellung, der sich mit den Zeiten des offenen Klassenkampfes befaßt. Was war das für eine Ära, als sich die Arbeitersportler in den zwanziger Jahren noch mit dem Kampfgruß „Rot Sport“ begrüßten und im Widerstand gegen die Faschisten standen? Symbole des proletarischen Sports, Plakate der Kampfgemeinschaft für die Rote Sporteinheit (KG) sowie Zeugnisse eines Treffens von Sportlern im nachrevolutionären Moskau waren so noch nirgendwo zu sehen.

Neben Klassenkampf und Widerstand dokumentiert die Ausstellung auch die Gründung der DDR -Massensportorganisationen. Unter dem Motto „Sportler sein ist gut - Sportler und fortschrittlicher Mensch sein ist besser“ baute Erich Honecker kräftig bei der Gründungskonferenz des Deutschen Sportausschusses am „neuen Menschen“ mit.

Die Bemühungen der DDR um internationale Anerkennung bis zur ersten eigenen Olympia-Mannschaft 1968 kulminieren in den Siegerfotos der ersten großen DDR-Sportstars. Von da an ging es nur noch bergauf. Davon zeugen Trophäen, Urkunden, ein goldener Speer und zum Schluß Erich Honecker neben Katarina Witt. Die Ausrüstungsgegenstände der Stars sind in Vitrinen und Glaskästen geradezu kultisch erhöht ausgestellt. Besonderes Merkmal dabei ist: Alles vom Turnschuh bis zum gestylten Hemd ist von Adidas.

Die Ausstellung ist noch bis zum 6.November täglich von 10 bis 19 Uhr in den Räumen unter dem Fernsehturm zu sehen.

Joop Springer