WAA-betr.: "50.000 latschen zum WAA-Bauzaun", taz vom 17.10.88

betr.: „50.000 latschen zum WAA-Bauzaun“,

taz vom 17.10.88

Nee, Randale oder sinnlose und aufreibende Kämpfchen will er nicht, aber was will er dann? Pfiffe und ordnungswidrig losgelassene Luftballons. Selten so gelacht.

Hein Hett, Tettnang

(...) Was wäre denn anders gewesen, wenn jetzt Provokationen stattgefunden hätten, wenn sich die Polizei dann wirklich provoziert gefühlt hätte, wenn's dann wieder heiß hergegangen wäre? Ja, dann wären das nächste Mal in der eh schon so politmüden Landschaft ein paar zigtausend weniger in Wackersdorf oder anderswo gewesen, dann hätten die „law and order„-Protagonisten wieder genügend Stoff gehabt, sei es in der Einheitspresse, im Fernsehen und in den verschiedenen Innenministerien, und schließlich hätte man einen Gutteil der kritischen, aber dennoch (noch) nicht zur Gewalt neigenden Bevölkerung ausgeblendet, abgespaltet.

Viele Leute haben nun einfach mal keine Lust auf Randale, haben halt Schiß vor Arbeitsplatzverlust, vor Gewalt, vor Prozessen und so weiter. Und auch diesen - nicht nur SPD -Leuten, sondern auch Müttern gegen Atomkraft, David gegen Goliath, Grünen - Teilen des AKW-Widerstandes - muß Solidarität gezeigt werden, darf keine Spaltung stattfinden. (...) Die meisten, allermeisten verblieben eben nicht am Bauzaun für längere Zeit, hatten eben keine Lust auf ein manchmal recht infantil anmutendes Zaungeklettere... Was das Gewaltmonopol anbelangt, sitzt der Widerstand nun mal am kürzeren Hebel, Molli hin, Wasserwerfer her. Außerdem erinnert mich das Gejammere, daß alles so friedlich und „ohne power“ abgegangen sei, ein wenig an den enttäuschten Besucher von irgendwelchen Formel 1-Rennen, wenn mal kein spektakulärer Unfall zu verzeichnen war. (...)

Ansgar Batzner, Buch

Wir, eine Gruppe von Teilnehmern an der Anti-WAA-Demo, empfanden die vom Anti-Atombüro München gestellten Ordner wesentlich penetranter als die labernden Kontaktbullen. Nachdem die Demo eigentlich schon vorbei war (ca. 16 Uhr) lieferten zwei Hilfsbullen den traurigen Höhepunkt des Tages.

Zwei Antifaschisten wurden von einer SEK-Einheit wegen eines angeblichen Steinwurfs auf einen Block von 30 Neo -Nazis festgenommen. Sofort liefen zwei Ordner vor die Bullen und forderten mit Megaphonen die übrig gebliebenen Demonstranten auf, sich jetzt direkt zur Abschlußkundgebung nach Wackersdorf zu begeben und sich nicht weiter um die Gefangenen zu kümmern. Dabei deckten sie gewollt die Bullen und zogen sich auch mit selbigen zurück.

In vier Jahren Widerstand gegen die WAA haben wir noch nie so eine Farce an Demo erlebt. (...)

Hanna und ihre Schwestern, Floh, Bär und andere

(...) Den Schritt vom Protest zum Widerstand mit Pfiffen und aufsteigenden Luftballons gab's durchaus. Nur, ob die an den Ballons befestigten Mitteilungen ordnungswidrig waren oder nicht, blieb dem Auge des Gesetzes verborgen. Mit dieser Art „kraftlosem“ Köpfchen, so scheint mir, wird die Hilf- und Sinnlosigkeit solcher obrigkeitlicher Anordnungen besser demonstriert als mit kraftvollem Muskelspiel, welches oft genug zu Knüppelorgien eskalierte mit dem Ergebnis: die Polizei wird aufgerüstet, die Masse der Wähler distanziert sich.

Die „Kraftlosigkeit“ der Demo hatte das für mich wichtige Ergebnis, daß die in der Menge auftauchenden Polizisten häufig in zwanglosen Gesprächen mit Demonstranten zu sehen waren. Wenn dies uns eine wachsende Zahl nachdenklicher Polizisten und positiv eingestellter Zeitgenossen bringt, dann sollte uns das wichtiger sein, auch wenn ein paar Autonome und viele Oberpfälzer - die so oder so WAA-Gegner sind - enttäuscht oder gar verprellt werden.

A. Bauer, Garmisch-Partenkirchen

(...) Wenn ihr nicht über böse Bullen, die unschuldige Demonstranten prügeln, berichten könnt, wird's euch anscheinend langweilig.

Manuela, München 19