Grüne Finanzen-betr.: Berichterstattung und Kommentare, taz vom 14./15./17.10.88

betr.: Berichterstattung und Kommentare,

taz vom 14./15./17.10.88

Das Problematische an all den Gerüchten und Vermutungen über das grüne Finanzgebaren ist, daß es hier weniger um die Sache als vielmehr um schmutzige strömungspolitische Spielchen geht. Anstatt nun der Sache auf den Grund zu gehen, bläst die taz ins Realo-Horn, präsentiert das Beckmann-Papier quasi als Tatsachen-Bericht, und Klaus Hartung schreibt einen entsprechenden Kommentar. Einfach widerlich. (...)

Thomas Irmer, Berlin 44

(...) Der grüne Bundesvorstand hat - wie jede(r) anständige BürgerIn - eine illegale, aber in ihren Absichten und Auswirkungen keineswegs illegitime Steuerhinterziehung begangen und dies nach dem öffentlichen Bekanntwerden des Sachverhaltes vertuschen wollen - für letzteres hat er sich dann auch verdiente Kritik in Partei und Öffentlichkeit eingehandelt.

Die Art und Weise aber, wie diese Angelegenheit von Beckmann in der Presse ausgeschlachtet wird, ist schlicht zum Kotzen und zielt ersichtlich einzig und allein darauf ab, die verhaßte „Fundi„-Mehrheit im BuVo durch die Hintertür doch noch zu Fall zu bringen. Die Medien ziehen dabei in der gewohnten Spießigkeit und Saubermann-Manier mit und philosophieren über die „verlorene Unschuld“ der grünen Partei.

Das ganze verlogene Theater ist natürlich in Wahrheit nichts anderes als Teil einer doppelten Strategie Beckmanns und seiner politischen FreundInnen vom „Grünen Aufbruch 88“: zunächst wird darauf spekuliert, daß der durch die Medienkampagne bewirkte öffentliche Druck sich parteiintern so gradlinig fortsetzt, daß der BuVo zurücktreten muß, sollte dies nicht funktionieren, so dürften durch die Medienberichterstattung zumindest die passiven Parteimitglieder so stark verunsichert sein, daß sich die „Aufbruch„-Gruppe dann bei einer möglichen Urabstimmung als die „Alternative“ darstellen und durchsetzen kann.

Es ist diesen politischen Amokläufern dabei völlig scheißegal, daß sie mit ihrem durchsichtigen Spielchen Die Grünen insgesamt schädigen und die Partei erneut in den Strudel jenes Strömungsstreites, aus dem sie sich gerade zu befreien begann, hineinreißen. (...) Es ist eine Sache, den BuVo für ein konkretes Fehlverhalten zu kritisieren - es ist aber eine ganz andere Sache, dieses Fehlverhalten strömungspolitisch so auszuschlachten, daß dadurch der Gesamtpartei schwerer Schaden entsteht. Hartung weiß dies genau so gut wie Beckmann; daß er es in seinem Kommentar dennoch verschweigt, macht die charakteristische Scheinheiligkeit seiner „Einlassungen“ aus.

Heinz-Jürgen Stolz, Trier

(...) Durfte am Freitag noch Klaus Hartung fundamental verurteilen und barzelnd und barschelnd auch ein bißchen tiefschlagen, so zelebrierte Charlotte Wiedemann am Samstag und Montag realpolitisch-filigran, wie (partei -)obrigkeitlich Verlautbarungen und Sprachregelungen nahtlos in eigene Kommentare und Artikel überführt werden. Die Autorin hat zweifellos das journalistisch-handwerkliche Rüstzeug für 'Bayernkurier‘ oder 'Welt‘ überzeugend nachgewiesen. Fast in Nebensätzen darüber hinwegzugehen, wie der Schatzmeister Schulz (sprich: Bundesvorstand) sich über ein Votum des (nach der Bundesversammlung) zweithöchsten Parteigremiums (Hauptausschuß) hinwegsetzt: meisterlich!

Wir ertragen in der taz die Rülpskost eines Wiglaf Droste; Schleimscheißereien a la Wiedemann nicht lange.

D. und W. Hölkemeier, Ulm

(...) Daß die derzeit „vorsitzenden“ Leute nichts, aber auch gar nichts aus ihren Fehlern lernen, zeigen die sowohl überflüssigen als auch dummdreisten Bemerkungen von Ditfurth, Schmidt, Trampert und anderen. Parteiinterne KritikerInnen als „spießbürgerliche Ordnungs- und Sauberkeitsfanatiker“ zu apostrophieren, die keinen Unterschied mehr machten „zwischen einer Milliarde für einen Rüstungskonzern und einer Hose für einen Junkie“ - da hört's sich so langsam aber sicher auf. Selbst wenn Beckmann ud Getreue ebenfalls mit unsauberen Mitteln arbeiten, ein solcher partei-interner Umgangston ist mindestens zum Kotzen. Und die Kritik aus den Orts- und Kreisverbänden wird vollkommen verkannt - wenn überhaupt zur Kenntnis genommen.

Die persönlichen Differenzen und Animositäten vieler Leute auf grüner Bundesebene und der sich ausbreitende Filz schaden zunehmend dem Projekt Grüne Partei. Der BuVo sollte seine politische Verantwortung ernst nehmen und kurzfristig den Weg für eine personelle Erneuerung frei machen. Daß dies kein Plädoyer für die derzeitigen Gegenspieler ist, versteht sich von selbst. (...)

Gerhard Sauer, Lennestadt 11

(...) Flick und seine Freunde in den Bonner Alt-Parteien dürfen sich freuen, sie haben Gesellschaft bekommen und brauchen sich bei Moralpredigten aus den Reihen der Grünen nicht mehr zu rechtfertigen. Die Grünen haben aufgrund der Manipulationen um das „Haus Wittgenstein“ wiederum ein Stück an Glaubwürdigkeit verloren. Die Verantwortlichen wollen davon nichts wissen und hoffen auf ein kurzes Gedächtnis bei Mitgliedern und Wählern. Und wenn man dann noch den rotzfrechen und dümmlichen Kommentar von Regina Michalik liest, (...) dann kann eine solche Einstellung nur damit erklärt werden, daß sie sich wie auch andere Vorstandsmitglieder der Grünen schon lange vom Boden abgehoben hat, unter einem starken Realitätsverlust leidet und offensichtlich meint, in dieser Partei unersetzlich zu sein. Mit einem Wort: Machtgeil.

Peter Koch, Kernen im Remstal

(...) Das Verhalten des BuVo seit Juni 1988 führt in die politische Situation, daß der Bundesvorstand für die Anwendung von Prinzipien grüner Politik durch sich selbst völlig unglaubwürdig wird.

Er hat sich nicht vor seine abhängig Beschäftige gestellt. Er hat verspätet den Einsatz von Ex-Drogenabhängigen als politisch gewolltes Projekt vorgetragen. Er hat der Partei im Juni 88 keine Finanzübersicht bereitgestellt, die das finanzielle Desaster der Renovierungs- und Umbaukosten von Wittgenstein in Höhe von drei bis vier Millionen Mark offenlegt. Ein Teil des Parteivermögens ist in Wittgenstein verbaut und auf lange Sicht gebunden worden. Die hohen Baukosten werden sich durch den Tagungsbetrieb nicht amortisieren lassen.

Die Absicht, Wittgenstein als behindertengerechtes, energiesparsames und umweltfreundliches Tagungshaus zu konzipieren, ist durch die eher laienhafte Baubetreuung des Bundesvorstandes zumindest finanziell untergraben worden.

Die Grünen haben finanzpolitisch ihr „Aachener Klinikum“, ihren „Bundestagsneubau“, ihr „Groschengrab“. Die Baukosten haben wichtige Projekte politischer Arbeit nicht finanzierbar gemacht. (...)

Peter Sellin, Bonn 1