„Eine Situation wie 1947/48“

Emile Habibi ist Chefredakteur der in Israel erscheinenden arabischen Zeitung 'Al Ittihad‘  ■ I N T E R V I E W

taz: Wo sehen Sie den Zusammenhang zwischen den Wahlen in Israel und dem Palästinenseraufstand in den besetzen Gebieten?

Emile Habibi: Die Wahlen finden in einer entscheidenden Situation statt. Die Dinge können nicht so weitergehen wie vor der Intifadah. Die Besatzungsmacht hat sich als unfähig erwiesen, den Aufstand zu beenden. Eine politische Lösung ist unvermeidlich geworden. Die heutige Situation ähnelt der der Jahre 1947/48. Damals hatten die Palästinenser im Unterschied zu heute keine Möglichkeit, ihre Haltung zu klären. Die Kommunisten waren die einzige Gruppe, die offen für die Zwei-Staaten-Lösung eintrat.

Bislang war es aus verschiedenen Gründen möglich, die Auswirkung der Intifadah auf die öffentliche Meinung in Israel und das tägliche Leben in Israel zu begrenzen. Beide großen Parteien (der Likud-Block und die Arbeiterpartei, d.Red.) versuchen, eine Entscheidung auf die Zeit nach den Wahlen zu verschieben. Dabei waren sie nicht hundertprozentig erfolgreich. Auch im Fernsehen sind die gezwungen, die Zukunft Israels zu diskutieren - nicht die Zukunft der Palästinenser, aber dazu werden sie gedrängt. Für die öffentliche Meinung unter den israelischen Arabern ist das die entscheidende Frage.

Wie wird es nach den Wahlen weitergehen? Rechnen Sie mit internationalem Druck auf die künftige Regierung, Schritte zu einer friedliche Lösung einzuleiten?

Nach den Wahlen wird es nicht länger möglich sein, die Krise weiter hinauszuschieben, zum einen, weil der Preis der Intifadah für Israel in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht steigen wird, zum anderen, wegen des internationalen Klimas, das eine Lösung des Konflikts begünstigt.

Die Frage historischer Lösungen hängt nicht von Personen ab, von einem Johnson in Vietnam oder einem Shamir im Nahen Osten. Gleich, welche Regierung aus den Wahlen hervorgehen wird, wird sie sich den internationalen Gegebenheiten stellen müssen.

Machen Sie keinen Unterschied zwischen Peres und Shamir?

Doch. Der Preis für eine Regierung unter Shamir wäre sehr, sehr hoch, für die Israelis wie für die Palästinenser. In diesem Falle kann man reaktionäre, rassistische Reaktionen, ja sogar Massaker mit ihren innenpolitischen Konsequenzen für Israel nicht ausschließen. Außerdem muß man an die Möglichkeit neuer Aggressionen denken, gegenüber Syrien, dem Libanon oder sogar Zypern, wer weiß.

Betrachten Sie es als ein Problem, daß das palästinensische Exilparlament nicht vor den Wahlen in Israel zusammentritt und sich so die Möglichkeit nimmt, mit seinen Entscheidungen die Wahldiskussion zu beeinflussen?

Ja, das ist ein Problem, aber wir wollen es nicht zum Problem machen. Wir hätten es besser gefunden, wenn die Entscheidungen vor den Wahlen gefallen wären. Das hätte Peres gezwungen, klarere Worte zu sprechen. Wir wissen, daß Peres die PLO indirekt gebeten hat, keine neuen Schritte vor der Wahl zu beschließen, mit dem Argument, das würde dem Likud helfen. Das ist aber nicht unsere Haltung.

Wie beurteilen Sie das Gipfeltreffen zwischen König Hussein, Arafat und Mubarak in Akaba?

Wir müssen zunächst die Ergebnisse abwarten. Wenn sich Arafat und Hussein auf eine Plattform einigen, wäre das hilfreich für Peres.

Und für die Palästienser in den besetzen Gebieten?

Auch das hängt von den Resultaten ab. Die Führung der Intifadah sieht die Dinge mit offenen Augen. Einen Weg zurück gibt es nicht. Aber weder die Führung des Aufstands noch Arafat haben in der jetzigen Situation ein Interesse an einer Kontroverse.

Das Interview führte Beate Seel