Kapitulation vorm Kapital?

■ Angestelltenkammer-Präsident Baumeister unter Gewerkschaftsbeschuß / „1 Mark für Arbeitslose“ wäre „Wortbruch gegenüber Kammermitgliedern“

„Klingelbeutelsozialismus“, „Kapitulation vor dem Kapital“, „Wortbruch gegenüber den eigenen Wahlversprechen“ und „Verstoß gegen alle „ordnungspolitischen Grundsätze gewerkschaftlicher Demokratie“ - einen öffentlichen Ordnungsruf erster Klasse bekam - in Abwesenheit - gestern Angestelltenkammer-Präsident Bernhard Baumeister. Per Eilboten hatten die Kollegen von Baumeisters Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherung zu einer Pressekonferenz geladen, um ihrem Vorstandsmitglied öffentlich den Kopf zu waschen und die Fronten des Klassenkampfs wieder geradezubiegen.

Was hatte die HBV-Funktionäre so in Aufregung versetzt? Eine Mark! Genau um diesen Betrag möchte der Baumeister nämlich gern die Arbeitneher-Beiträge zur Angestelltenkammer erhöhen und hatte diesen Wunsch auch freimütig dem Weser -Kurier erzählt. Was der entsprechende WK-Artikel unterschlug: Nach Baumeisters persönlichen Vorstellungen sollten die jährlichen Mehreinnahmen der Kam

mer von rund 2 Millionen Mark eindeutig und zweckgebunden für die Beratung und Betreuung von Arbeitslosen eingesetzt werden. Ein Beitrag also zur vielbeschworenen gewerkschaftlichen Solidarität von denen, die Arbeit haben, mit denen, die ihre Arbeit unverschuldet verloren haben.

Gleichwohl fürchten Baumeisters HBV-Vorstandskollegen seit der Veröffentlichung des Artikels um ihre „Glaubwürdigkeit“. In der HBV-Geschäftsstelle am Bahnhofsplatz sei der Teufel los, die Anrufe empörter Kammer-Mitglieder über die bevorstehende Beitragserhöhung reißen nicht ab. Konsequenz von HBV-Geschäftsführer Helmut Thiel: „Vor den Wahlen haben wir den Mitgliedern versprochen, mit uns werde es keine Beitragserhöhungen geben. Wir können jetzt nicht wortbrüchig werden.“ Und HBV-Vorstand Hajo Kröger: „Wir lehnen die Idee eines Solidaritätsbeitrags der Arbeitnehmer entschieden ab.“

Schützenhilfe gegen die voreiligen Denkmodelle des Angestelltenkammer-Präsidenten und ihre entstellende Veröffentli

chung im WK bekam die HBV gestern auch vom Bremer DGB -Vorsitzenden Heinz Möller. Als „wenig hilfreich in der politischen Auseinandersetzung“ und als „fachlich nicht fundiert“ bezeichnete Möller in einer schriftlichen Erklärung die veröffentlichten Baumeister-Pläne.

Gegenüber der der Eine-Mark-Umlage unter ArbeitnehmerInnen sind HBV-und DGB-Spitze sich einig, wo das Geld in Wirklichkeit zu holen wäre: In erster Linie bei der Bundesregierung, bei den Arbeitämtern und notfalls beim Bremer Senat. 20 Millionen Mark seien in den letzten Jahren allein in Bremen bei der Finanzierung von Umschulungs-und Fortbildungsmaßnahmen eingespart worden. Wenn es nicht gelinge, die Bundesregierung zu einer Rücknahme dieser Kürzungen zu zwingen, müsse der Bremer Senat gefordert werden, die Lücke durch Landesmittel zu decken. Denn, spielt die HBV auf 40 Millionen für den Bremer Aufsichtsratssitz bei MBB und 25 Millionen für Daimler Benz an: „Geld ist auch in Bremen noch vorhanden, wie die Subventionspolitik des Bremer Senats für die Privatwirtschaft zeigt.“ Die Gewerkschaften hätten demgegenüber ihren Solidaritätsbeitrag gegenüber

Arbeitslosen bereits geleistet: Durch die Tarifforderung nach Arbeitszeitverkürzung auf Kosten möglicher Lohnzuwachsraten. DGB-Chef Heinz Möller: „Wer in dieser Situation den Anschein/Eindruck erweckt, der skandalöse Griff der Bundesregierung in die Kass der Bundesanstalt für Arbeit sei durch zusätzliche Solidarbeiträge der Kammermitglieder auszugleichen, handelt politisch unbedacht und gaukelt Handlungsmöglichkeiten vor, die nicht gegeben sind.“

Der gemeinte Bernhard Baumeister hat inzwischen schriftlich erklärt, daß er all diese Argumente seiner Gewerkschaftskollegen gleichfalls unterschreiben kann. In einem Brief an den Weser-Kurier bittet Baumeister darüber hinaus den fälschlich erweckten Eindruck zu korrigieren, er habe die gekürzten Fortbildungs-Mittel der Bundesregierung durch eine Arbeitnehmer-Umlage kompensieren wollen. Gleichwohl besteht Baumeister weiterhin auf seiner „persönlichen“ Meinung, daß die Solidarität mit Arbeitslosen - wo der Staat versagt - auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei: „1 Mark Solidarbeitrag hat dabei auch Symbolcharakter“.

Klaus Schloesser