DIE SELBSTFINDUNG

■ Im Schloßpark-Theater siegt Regina Lemnitz als heilige Johanna der Einbauküche

Endlich können wir auch im Schloßpark-Theater einen Selbstfindungsprozeß beobachten. Shirley Valentine, die Titelfigur des Melodrams, zeigt uns die Nur-Hausfrau, die mit 42 plötzlich bemerkt, daß ihr Leben nicht sonderlich aufregend ist. Befriedigend ist es schon gar nicht, seit die Kinder - Familiennorm: ein Junge, ein Mädchen - aus dem Haus sind, fällt ihr auf, daß der Ehemann sich zum Fernseher entwickelt hat und als „Beziehungspartner auch kaum Gesprächsbereitschaft zeigt“, im wesentlichen aber pünktlich Pommes und Spiegelei auf den Tisch will. Also spricht sie in den ersten beiden Szenen mit der Küchenwand, was ihr und dem Stück von Willy Russell den Untertitel „die heilige Johanna der Einbauküche“ eingebracht hat.

Es geht unserer Shirley in diesem Monolog, mit banal lebensphilosophischen Einsprengseln und glücklicherweise auch witzigen selbstironischen Pointen, um die tiefschürfende Frage: „Traum oder nicht traun“, soll sie nun in die Chartermaschine nach Rhodos einsteigen oder in der englischen Einbauküche bleiben. Nach der Pause erlöst uns das allerliebste Bühnenbild von den quälenden Sorgen um Shirleys Urlaub. Caroline Euing, die Bühnenbildnerin, hat die expressionistische Küchenzeile mit der bedrohlichen Dunstabzugshaube gegen den Blick auf die puppenstubengroßen weißen Häuschen der Hafenpromenade aus der Postkarten -Perspektive einer griechischen Insel vertauscht.

Aber jetzt geht die Selbstfindung erst richtig los. Unsere tapfere Shirley verliebt sich nicht etwa, wie die treulose Reisegefährtin, in den gutaussehenden Griechen Costas, was ja nahe läge, zumal der sich schon als zärtlicher und frau -zu-ihrem-recht-kommen-lassender Liebhaber olympisches Gold verdient hat. Nein, gegen diese Verführungen ist ihr tapferes Herz im Schloßpark-Theater, zur allgemeinen Erleichterung des frischgebadeten Publikums, gewappnet.

Sie verwirklicht sich selbst und bleibt philosophistelnd, „allein, aber nicht einsam“ auf Rhodos und lebt dort, wenn sie nicht von ihrem Mann geholt worden ist, ganz intensiv im Hier und Jetzt noch heute.

Daß die drei vom Schloßpark-Theater, die Regisseurin Erika Gesell, die erwähnte Bühnen- und Kostümbildnerin Caroline Euing und die Schauspielerin Regina Lemnitz mit Willy Russells Frauenstück wirklich eine Komödie zustande bringen, ist im wesentlichen der ideal besetzten Regina Lemnitz zu verdanken. Sie spielt mit einer ungeheuren Bandbreite die emotionalen Schwankungen aus und hält doch gleichzeitig eine souveräne Mitte, so läßt sie die nicht zu knapp gesäten fadenscheinigen, dünnen Textstellen und die mangelnde Psychologie der Figur nicht peinlich werden.

Aber man darf sich, sowohl im Foyer als auch auf der Bühen des Schloßpark-Theaters, schon wundern, was in dieser fremden und seltsamen Welt aus der Emanzipationsbewegung geworden ist: Urlaub auf einer griechischen Insel.

Susanne Raubold