Ferngespräche

■ Berlin in Moskau: Nur Sprüche

Paris ist eine Messe wert, wußte seinerzeit ein glaubensschwacher Herrscher. Berlin ist nichts mehr wert, beim internationalen Tauziehen lediglich ein paar Sprüche fürs Ideologie-Merkbüchlein - und das ist gut so. Kohl behauptete in Moskau am gedeckten Tisch, die geteilte Stadt sei immer noch und ganz bestimmt Gradmesser für die Beziehungen beider Länder. Glatt gelogen. Des Kanzlers markige Worte waren nicht an die Adresse seines Tischgenossen gerichtet, sondern - quasi ein Ferngespräch an den Strauß-Erben Zimmermann. Genauer: an dessen Klientel, den deutschnationalen, vorgestrigen Bodensatz, den die Union auf Teufel komm raus nicht verlieren mag (weil dann der Demokratie Schaden droht).

Gorbatschow hingegen, beim ersten Abendmahl, wurde kühl: Berlin könne doch am internationalen Prozeß teilnehmen, da hätte niemand etwas einzuwenden. Da hatte er recht. Und: Die Stadt sei gar kein Prüfstein mehr, betonte er ganz ernst. Das wußte selbst Kohl schon (auch wenn es - wieder der Trick mit dem Ferngespräch - Richtung Hauptstadt der DDR gesprochen war, um die bremsenden Brüder zu beruhigen).

Drei Milliarden Mark an Krediten für die UdSSR kamen durch den Prüfstein Berlin genausowenig ins Stolpern wie der Milliardenverkauf des bundesdeutschen AKWs oder wie einer der 27 anderen wirtschaftlichen Deals. Und in die politischen Verträge ist die Stadt auch ganz unspektakulär einbezogen - durch Genschers Fußnoten-Diplomatie. Was soll's also, das Gerede um Berlin: Muster von nur noch ideologischem Wert. Warum sollte man auch am Status des Westteils der Stadt etwas ändern? Bis auf die alliierten Sonderrechte.

Andreas Rostek