DKP-betr.: "DKP-Parteivorstand entdeckt die Perestroika",taz vom 21.10.88

betr.: „DKP-Parteivorstand entdeckt die Perestroika“,

taz vom 21.10.88

In dem Artikel beschreibt taz-Redakteur Reiner Scholz eine Serie von angeblich kaum oder nicht als Delegierte gewählte DKP-Spitzenfunktionäre von Herbert Mies bis Heinz Czymek. Mitten darin steht der Satz „Der Kreisvorsitzende des Kreises Stuttgart wurde nicht gewählt“. Der ahnungslose Leser muß sich nun mehr oder weniger Wurzelerschütterndes ausmalen.

Zum Bedauern für die Sensationslust der taz muß ich, was mich selbst betrifft, die heiße Luft aus dieser Meldung lassen: Es stimmt zwar, daß mich meine Wohngebietsgruppe nicht zum Delegierten der Kreisdelegiertenkonferenz wählte, aber dies mehr aus der Meinung: „Der ist ja sowieso dort, dann wollen wir vor allem jüngere Gruppenaktivisten delegieren“, als aus politischer Konfrontation. Dennoch wurde ich auf ebendieser Kreisdelegiertenkonferenz mit 92 von 102 Stimmen zum Kreisvorsitzenden wiedergewählt und ebenso als Delegierter zur Bezirksdelegiertenkonferenz von Baden-Württemberg.

Ich hoffe, daß in den anderen genannten Fällen, trotz unverkennbarer Abneigung gegen die DKP sorgfältiger recherchiert wurde.

Klaus Mausner, DKP-Kreisvorsitzender Stuttgart

(...) Jahrelang haben sich Leute wie Rainer Scholz darüber mokiert, daß sich in der DKP nichts ändert und auch nie etwas ändern wird. Jetzt, wo sich vieles bewegt, Diskussionen in Gang kommen und auch (wenn auch meiner Ansicht nach noch nicht weitgehend genug) selbstkritisch über die eigene Vergangenheit reflektiert wird, fällt man das Urteil „opportunistisch“, das auch sicherlich auf einige zutrifft. Aber es trifft nicht auf alle zu. Mit einer solchen Vorgehensweise werden die Mitglieder diskreditiert, die sich wirklich Gedanken über eine bessere und ehrlichere DKP machen, eine Aufgabe, die nicht einfach ist. (...)

Es gibt Mitglieder in unserer Partei, die nach 45 aus der Emigration oder aus KZs und Gefängnissen in einen (demokratischen) Staat kamen, der sie für ihre Gesinnung gleich wieder in die Gefängnisse schickte. Daß eine solche Vergangenheit prägend ist, nicht für die Menschen, sondern auch für die Strukturen einer Partei, ist unumgänglich. Daß sich eine Partei veränderten Bedingungen anpassen muß in ihren Strukturen und ihrer Ideologien ist ebenfalls unumgänglich - und auch schmerzhaft, vor allem in der Auseinandersetzung mit Fehlern der Vergangenheit. Daß dies in der DKP schon längst hätte geschehen sollen und die mangelnde Attraktivität dieser Partei vor allem auch auf dieses Versäumnis zurückzuführen ist - auch dem kann ich nur zustimmen. Aber jetzt sind Bedingungen vorhanden, in denen es geschehen kann, und diese Gelegenheit möchte ich nicht ungenutzt lassen.

Dieses Land braucht eine starke linke Bewegung, soll etwas verändert werden. Eine (veränderte) DKP kann dieser Bewegung nur nützen und sie stärken. Eine Auseinandersetzung mit einer solchen DKP, die Zusammenarbeit mit ihr, kann sowohl dieser nützen, wie auch anderen linken Gruppen und Parteien. Aber mit Polemik und Arroganz werden wir weder uns noch dieses Land verändern. Gebt uns eine Chance, bevor das Urteil gefällt wird.

Angelica, Saarbrücken