Rätselraten um Frau mit dem Koffer

Die vor einer Woche auf dem Mailänder Flughafen festgenommene Libanesin läßt Spekulationen um die Beiruter Geiseln ins Kraut schießen / Sichergestellte Fotos zeigen Terry Anderson und Alann Steen / Angebliche Verbindungen zu italienischem Waffenhändler  ■  Aus Beirut Petra Groll

Die italienischen Sicherheitsbehörden verbuchten einen aufregenden Fang, als sie am vergangenen Donnerstag auf dem Flughafen von Mailand die 36jährige Libanesin Aleen Ibrahim Rizkallah festsetzten.

Die Frau transportierte heiße Ware unter dem „doppelten“ Boden ihres Koffers. Die Beamten konnten die vergleichsweise geringe Menge von 50 Gramm Heroin und lumpige 1.000 gefälschte US-Dollar beschlagnahmen, doch schienen drei Fotos und ein handgeschriebener Brief möglicherweise viel mehr wert und auf einen großangelegten politischen Skandal hinzudeuten. Die Fotos, so die italienische Anti-Terror -Polizei, zeigen den US-Journalisten Terry Anderson und den College-Dozenten Alann Steen, ebenfalls Bürger der USA, derzeit beide in der Gewalt libanesischer Geiselnehmer. Terry Anderson, der am heutigen Donnerstag seinen 41.Geburtstag begeht, wurde 1985 vom „Islamischen Heiligen Krieg“ (Jihad) entführt, Alann Steen 1986 vom „Islamischen Krieg zur Befreiung Palästinas“.

Der handschriftliche Brief sollte, so hieß es noch am Wochenende aus Mailand, von Alann Steen verfaßt worden sein und die Bitte um Kooperation zwecks seiner Freilassung enthalten. Frau Rizkallah, so der Mailänder Anti-Terror-Chef Achille Serra, wollte nach eigener Aussage den geheimen Inhalt ihres Koffers dem italienischen Waffenhändler Aldo Anghessa überbringen, der als Mittelsmann zwischen dem „Jihad“ und einer nicht näher bezeichneten „US -amerikanischen Organisation“ fungiere. Sollte es also zum ersten Mal gelungen sein, eine Person aus dem direkten Umfeld der pro-iranischen Schiitenorganisation dingfest zu machen? Aus Italien war zu hören, man habe da wohl einen „Kurier“ geschnappt.

Für allerlei Spekulationen rund um die sicherlich stattfindenden Befreiungsversuche der neun in Libanon festgehaltenen US-Geiseln herrscht angesichts der bevorstehenden Wahlen in den USA Hochzeit. Die US -Administration bestritt jeglichen Zusammenhang mit Waffenhändler Anghessa. „Was auch immer er unternommen hat“, erklärte der Sprecher des State Departments, Charles Redman, „hat er auf eigene Kappe unternommen und ohne jede Beziehung zur US-Regierung.“

Zum dritten Mal innerhalb von vier Tagen meldete sich am Montag abend der islamische Jihad bei einer westlichen Presseagentur in der libanesischen Hauptstadt und bestritt unter Drohungen gegen die italienischen Behörden jegliche Verbindung zur Rizkallah. Die arbeite mit einem israelischen Geheimdienst zusammen, hieß es im schriftlichen Statement des Jihad, das wiederum durch ein neues Foto von Terry Anderson verifiziert wurde.

Die italienische Polizei solle doch das angebliche Anderson -Foto aus dem Gepäck der Rizkallah veröffentlichen, solange halte man alles für schiere Erfindung und werde italienische Institutionen zur Rechenschaft ziehen. Die Veröffentlichung des bewußten Fotos war unterdessen in Beirut erfolgt, ohne daß die Forderung des „Jihad“ die italienischen Behörden schon erreicht haben könnte. In Beirut stellte man die überaus erstaunliche Ähnlichkeit mit einem am 18.August vom Jihad veröffentlichten Bild Andersons fest. Der einzige sichtbare Unterschied: Das Foto aus dem Rizkallah-Gepäck zeigt den Journalisten seitenverkehrt.

Am Dienstag endlich legten die italienischen Behörden den Rückwärtsgang ein. Das Anderson-Foto könne wohl die Kopie eines anderen Bildes sein und der angeblich von Alann Steen verfaßte Brief enthalte eine derartige Fülle von grammatikalischen und orthografischen Fehlern, daß er einem College-Dozenten, selbst wenn er unter großem Streß stehe, eigentlich nicht zugetraut werden könne. - Sollten die ernstzunehmenden Drohungen des Jihad die italienischen Terrorspezialisten zu dieser späten Erkenntnis verholfen haben?

Bleibt dennoch die Rizkallah mit dem Koffer. Der italienischen Polizei soll die Frau mit dem ausschließlich von arabischen Christen geführten Familiennamen gestanden haben, sie habe noch kürzlich mit einer christlichen Miliz in Libanon zusammengearbeitet. Nachforschungen in Ost-Beirut haben mittlerweile ergeben, daß in Kreisen der dort uneingeschränkt herrschenden Miliz der christlich -maronitischen Phalange-Partei eine Aleen Rizkallah durchaus bekannt ist.