Kein Rücktritt wegen Geiseldrama

Bremens Innensenator will politische Konsequenzen für die Pannen tragen, indem er die Polizei umstrukturiert / Parteitaktische Überlegungen retteten den Innensenator / CDU kündigt Mißtrauensantrag an  ■  Holger Bruns-Kösters

Bremen (taz) - Bremens Innensenator Bernd Meyer bleibt im Amt. In der gestrigen Sitzung der SPD-Landesregierung forderte der Senat Meyer einstimmig auf, trotz der zahlreichen Pannen, Fehler und Versäumnisse der Polizei während des Geiseldramas im August im Amt zu bleiben. Statt personeller Konsequenzen des politischen Verantwortlichen entschied sich die Bremer Landesregierung für einen Umbau des Polizeiapparates. „Meyer hat da Vorstellungen, die schnellstmöglich umzusetzen sind“, erklärte Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier und demonstrierte Vertrauen in Meyers administrative Fähigkeiten.

Wenige Tage nach dem Geiseldrama hatte Meyer noch erklärt, die Bremer Polizei treffe keine Mitschuld an dessen blutigen Ende. Eine Feststellung, die spätestens seit Dienstag nicht mehr zu halten war. Da hatte der ehemalige Bremer Generalstaatsanwalt Günter Wendisch, der im Auftrag des Senats ein Gutachten zum Einsatz der Polizei angefertigt hatte, noch einmal Pannen und Fehler der Einsatzleitung beschrieben. Insbesondere hatte Wendisch moniert, daß an der Raststätte Grundbergsee kein Notarztwagen zur Verfügung gestanden habe und daß der Parkplatz, auf dem der Bus gekapert wurde, nicht zuvor abgesperrt worden war. „Natürlich stehe ich zu meiner politischen Verantwortung für die Polizei“, so Meyer gestern.

Dies sei allerings unterschiedlich zu interpretieren. „Ich will die Verantwortung übernehmen, indem ich die im Ressort erkannten strukturellen Probleme und die Führungsprobleme aufarbeite.“ Auch wenn Bürgermeister Klaus Wedemeier entsprechende Nachfragen als „ausgesprochenen Unsinn“ bezeichnete: In Bremen ist es ein offenes Geheimnis, daß nicht zuletzt parteitaktische Überlegungen Meyer retteten. Ein ungeschriebenes SPD-Gesetz verlangt, daß jeder Bremer Unterbezirk mindestens einen Senator stellt. Meyer ist der einzige Senator aus dem Bremer Norden, und einen anderen vorzeigbaren Kandidaten hat dieser Unterbezirk nicht zu bieten.

Statt eines Rücktritts bietet sich für Meyer nun die Chance, aus dem Verlauf des Geiseldramas politischen Nutzen zu ziehen. Denn seine Forderung, die Polizei umzuorganisieren, technisch besser auszustatten und personell aufzustocken, ist schon Jahre alt und bislang immer am Bremer Finanzsenator gescheitert. Dessen Widerstand ist jetzt per Beschluß hinfällig, heißt es doch: „Der Senat wird Innensenator Bernd Meyer dabei unterstützen.“

Mit der neuen Definition des Begriffs „Politische Verantwortung“ wird sich Anfang November die Bremische Bürgerschaft zu beschäftigen haben. Der CDU -Fraktionsvorsitzende Reinhard Metz bezeichnete den Senatsbeschluß als „dickfellig und ignorant“ und kündigte ein Mißtrauensantrag gegen Meyer an. „Es kann nicht sein, daß die offengelegten Fehler immer größer werden, während gleichzeitig der Rücktrittsgedanke immer mehr in den Hintergrund tritt.“ Ähnlich der FDP-Vorsitzende Claus Jäger: „Wenn politische Verantwortung nicht zur inhaltsleeren Floskel verkommen soll, muß Senator Meyer zurücktreten.“ Genauso argumentierte der grüne Abgeordnete Martin Thomas, der von einem „schwarzen Tag für die Poltik“ sprach.