Tornado-Kredit auf dem Schleudersitz

Koalitionskrach um Rüstungsgeschäft mit Jordanien / Nach hitziger Debatte im Bundestag scheint Kredit kaum noch durchsetzbar / Große Koalition gegen Stoltenberg / Vorsitzender des Zentralrats der Juden kritisiert „dubioses und gefährliches Geschäft“  ■  Von V.Gaserow/Ch.Wiedemann

Bonn/Berlin (taz) - In Bonn spitzt sich der Streit um das Tornado-Geschäft mit Jordanien zu. Die dabei geplante Mitfinanzierung durch die „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) gilt inzwischen als politisch kaum noch durchsetzbar. FDP-Vorstand und Fraktion lehnten es gestern nach einer gemeinsamen Sitzung als „völlig unakzeptabel“ ab, den Ankauf der acht Kampfflugzeuge durch einen KfW-Kredit zu unterstützen. Finanzminister Stoltenberg, der dem Verwaltungsrat der Anstalt vorsitzt, sperrte sich gestern zwar nicht gegen den Wunsch von Wirtschaftsminister Bangemann (FDP), über „die Sache noch mal zu reden“. In einer erregt verlaufenen Fragestunde des Bundestags stellten sich aber Finanzministerium und Verteidigungsministerium hinter die Entscheidung des Bundessicherheitsrats. Schon im Juni hatte dieses geheime Kabinettsgremium beschlossen, daß es gegen die Tornado-Lieferung keine „erheblichen Bedenken“ gebe. Nur bei derartigen Bedenken sind im Rahmen von Gemeinschaftsprojekten wie dem Tornado weitere Konsultationen zwischen den beteiligten Produktionsländern vorgesehen.

Bei dem geplanten Tornado-Export unter „nationaler britischer Souveränität“ komme die Bundesrepublik nur ihren „Verpflichtungen“ nach, bügelte Finanzstaatsskretär Voss gestern im Bundestag die Einwände der Oppositionsparteien und der FDP ab. Gesetzliche Bestimmungen würden dabei nicht verletzt. Die Regierungsmitglieder im Verwaltungsrat der Kreditanstalt würden aufgrund „persönlicher Entscheidung“ votieren. Stoltenberg hat nach eigenen Angaben sein Votum noch nicht abgegeben und will nun „kritische Argumente“ dabei einbeziehen. Er lehnte es aber ab, für eine Verschiebung der Entscheidung zu sorgen, damit sich Bundestag oder Finanzausschuß vorher noch einmal mit der Angelegenheit befassen könnten. Bis zum 18.November muß über den Kredit entschieden sein. Nach der bisherigen Planung will der Verwaltungsrat der Kreditanstalt KfW erst drei Tage nach diesem Termin zusammentreten. Die Haltung des Bundessicherheitsrats sei dabei „ein wesentlicher Anhaltspunkt“ für seine Entscheidung gewesen, erklärte Stoltenberg. Die „wohlerwogene Entscheidung“ des Sicherheitsrates billigte Stoltenberg „ausdrücklich“. Die CDU-Fraktion hielt sich aus dem Schlagabtausch weitgehend heraus; auf der Suche nach Argumenten für das Rüstungsgeschäft fand der Abgeordnete Bohl eine „stabilisierende Rolle Jordaniens im Nahen Osten“.

Die Bundesregierung bestätigte gestern indirekt, daß es sich bei den Tornados um die Bomber-Version dieses Typs handelt. Nach Angaben des grünen Friedensforschers Mechtersheimer hat er unter der Bezeichnung „Interdiction strike“ „ausschließlich die Aufgabe, in den gegnerischen Raum einzudringen und Bomben abzuwerfen“. Dem Vorwurf des SPD-Abgeordneten Gansel, daß ausgerechnet die „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ einen Bomber finanziere, „der ganze Landstriche Israels in Schutt und Asche legen könne“, hielt der Staatssekretär der Hardthöhe, Würzbach, die „geringe Stückzahl“ der Tornados und die „militärischen Fähigkeiten“ von Jordaniens Nachbarn entgegen.

Nachdem in den letzten Tagen schon die Vertreterin der Deutschen Angestelltengewerkschaft im Verwaltungsrat der KfW und die zwei Vertreter des DGB ihr Nein zu dem Kredit signalisiert hatten, gab jetzt auch Wirtschaftsminister Jochimsen, seine klare Absage bekannt. Zahlenmäßig hätten damit zwar immer noch CDU/CSU-Minister und Bankenvertreter als mögliche Befürworter des Rüstungskredits die Mehrheit im 28köpfigen Verwaltungsrat der KfW. Unter politischen Gesichtspunkten aber scheint die Genehmigung des Kredits nach der öffentlichen Diskussion der letzten Tage eher fraglich. Daß nach einem solchen politischen Ausstieg der KfW das deutsche Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank seinen Kreditanteil an dem Tornado-Geschäft ebenfalls zurückzieht, scheint nicht ausgeschlossen.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Galinski, nannte es gestern „mangelndes Fingerspitzengefühl“, daß die KfW überhaupt einen solchen Rüstungskredit an Jordanien in Erwägung zieht. Man könne nicht einerseits von der eigenen Schuld gegenüber dem jüdischen Fortsetzung auf Seite 2

FORTSETZUNG VON SEITE 1

Volk reden und sich andererseits auf ein „so dubioses und gefährliches Geschäft einlassen“. Jegliche Waffenlieferungen in den Nahen Osten könnten dort die Lage nur verschärfen. Die israelische Botschaft in Bonn äußerte sich dagegen gestern eher vorsichtig. Man werde vorerst nicht bei der Bundesregierung intervenieren. Diese wisse jedoch sehr wohl „was wir darüber denken, und es ist selbstverständlich, daß wir über eine solche Lieferung von hochmoderner Rüstung an ein Land, das mit Israel im Krieg liegt, sehr besorgt sind“. Über die geplante Tornado-Lieferung an Jordanien wurde gestern in den israelischen Medien kommentarlos berichtet. Gleichzeitig wurde bekannt, daß Israel kurz vor der Unterzeichnung eines Abkommens über die Lieferung von zwei „Delphin„-U-Booten aus der BRD steht. In einer Art Dreiecksgeschäft sollen die zwei U-Boote - Kosten rund 700 Mio. DM - von US-Seite finanziert werden. Israelischen Presseberichten zufolge soll sich die BRD in diesem Abkommen verpflichten, für drei Viertel dieser Summe „Einkäufe für die Schiffahrt“ zu tätigen. David Ivri, Generaldirektor des israelischen Verteidigungsministeriums, äußerte die Hoffnung, daß dieses Geschäft mit der BRD in den nächsten zwei Monaten abgeschlossen werde.