: Unverkabelt in die bunte Fernsehwelt
■ SPD-Fraktion entschied sich nach langer Diskussion für die Aufhebung des öffentlich-rechtlichen Monopols und gegen die privaten Fernsehsender zur Hauptsendezeit / ARD 1-Plus und 3-Sat abends und nachts Musikvideos von tele 5
Was lange währt, wird Kompromiß. Auf diese Formel läßt sich das Ergebnis des monatelangen Gerangels zwischen Bürgermeister Klaus Wedemeier und der SPD-Fraktion um die Neuordnung von Rundfunk und Fernsehen im Lande Bremen bringen. Gestern präsentierten der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Manfred Fluß, und der SPD -Fraktionsvorsitzende, Claus Dittbrenner, das Ergebnis der Beratungen um das Landesmediengesetz und konnten volle Übereinstimmung mit dem Bürgermeister vermelden.
Sobald der Gesetzentwurf von der Bürgerschaft verabschiedet ist, und das soll möglichst noch im Dezember geschehen, bekommen BremerInnen mit einer normalen Fernsehantenne zwei weitere Fernsehprogramme auf den Bildschirm geliefert: das ARD-Anhängsel 1-Plus und der ZDF-Wiederholungsträger 3-Sat bekommen den Zuschlag für die Hauptsendezeit zwischen 18.00 und 24.00 Uhr. In der Nacht und tagsüber darf dann ein Privater, voraussichtlich tele 5, pausenlos Videos und Music -Clips auf Bremens Mattscheiben zaubern. Und bald darauf steht eine weitere sogenannte terrestrische Frequenz zur Verfügung, die dann aus
schließlich den Privaten vorbehalten bleiben soll. Zwei neue
Sende-Frequenzen
Hintergrund: Seit dem 1. Juli stehen beim Sendemast der Deutschen Bundespost in Utbremen zwei terrestrische Frequenzen zur Verfügung. Diese Frequenzen waren schnell von der Bundespost freigemacht worden, nachdem das Verkabelungsprogramm von Bundespostminister Schwarz -Schilling nicht so den Beifall der Kunden gefunden hatte, wie sich der Bundespostminister das erhofft hatte. Nachdem die neuen privaten Fernsehsender in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, sann man darauf, wie die Verbreitung zu beschleunigen sei, ohne daß teure Gebühren für Kabelanschluß und - benutzung fällig werden. Alle anderen Bundesländer vergaben die neuen Frequenzen, fast ausschließlich an die privaten Anbieter RTL plus, SAT-1 und tele 5.
Bremen mochte diesem Vorgehen der nicht folgen. Zum einen hatte sich die SPD in ihrem Wahlprogramm darauf festgelegt, öffentlich-rechtliche Anbieter bevorzugt zu behandeln. Zum anderen fürchtete die SPD in Übereinstimmung mit Radio Bremen, daß
eine große private Sendeanstalt wie RTL, Radio Bremen ein Gutteil der Werbeeinnahmen nehmen und damit die Existenz des kleinsten, finanzschwächsten Senders gefährden würde, wenn RTL in allen Bremer Haushalten mit einem täglichen regionalen Fenster zu empfangen wäre.
Diese Ablehnung der Privaten aber stand im Widerspruch zu der Präambel des Rundfunkstaatsvertrages, der auch von Bürgermeister Wedemeier unterzeichnet und von der Bürgerschaft zur Kenntnis genommen worden war. Nach Maßgabe des Landesrech
tes soll privaten Anbietern ermöglicht werden, ihre Programme über terrestrische Frequenzen zu verteilen. Ein Landesrecht, daß die Privaten von vornherein ausschloß, mußten die Ministerpräsidenten demzufolge als Verstoß gegen den Rundfunkstaatsvertrag verstehen.
Und so ließ Bürgermeister Wedemeier bereits Ende letzten Jahres seine Wunschverteilung bekannt werden: Eine der Frequenzen sollte an einen privaten Anbieter gehen, die andere an eines der öffentlich-rechtlichen Zu
satzprogramme (3-Sat oder 1-Plus). Um nun wiederum einem privaten Anbieter den Zuschlag zu geben, mußte das öffentlich-rechtliche Monopol im Landesmediengesetz aufgehoben werden. Außerdem mußte für die Vergabe an Private zunächst ein neues Gremium gebildet werden, der Landesrundfunkrat. Und auch dafür war eine Änderung des alten Gesetzes erforderlich.
Solche Gremien sind bereits in allen anderen Bundesländern eingerichtet und sollen neben der Vergabe von Frequenzen darauf achten, daß die Privaten keine
Pornos oder übermäßig brutalen Horrorfilme ausstrahlen. Der Bremer Landesrundfunkrat, so will es nun die SPD, soll aus 18 Personen bestehen. Landessportbund, evangelische und katholische Kirche, die Israelitische Gemeinde, der DGB, die Arbeitgeber, der Senat und der Bremerhavener Magistrat, dürfen je einen Vertreter entsenden. Die verschiedenen Kammern, Vertreter von Kultur-, Jugend-und Bildungsinstitutionen, sowie Vertreter sonstiger „relevanter Organisationen“, dürfen weitere Mitglieder vorschlagen. Diese elf Personen müssen allerdings vom Parlament gewählt werden.
Fans der neuen RTL-Sportschau oder des mitternächtlichen Streaptease müssen trotzdem nicht mehr lange beim verkabelten Nachbarn durchs Schlüsselloch spähen. Diese und andere private Köstlichkeiten können BremerInnen ab Mitte des nächsten Jahres sehen, vorausgesetzt, sie wohnen im Bremer Westen. Denn von Delmenhorst aus wird ab Mitte 1989 ebenfalls auf zwei terrestrische Frequenzen gesendet. Diese sind bereits fest an RTL und SAT-1 vergeben. Während Fluß gestern meinte, damit könnte fast ganz Bremen bedient werden, verwies die Deutsche Bundespost darauf, daß die Sendeleistung vermutlich höchstens bis zur Weser reicht.
Holger Bruns-Kösters
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen