IM ULTRAMARIN

■ Teresa und Ursula im FFBIZ

Ultramarinblaue Töchter im Hintergrund: ein Meer voll Wasser, ein Himmel voll Licht - weiter Raum ohne Angst vor der Tiefe. Daneben auf langen Bändern aus aneinandergereihten Buchdeckeln verschiedene Klangfarben und Rhythmen: Sie zeichnen die Spuren tanzender Bewegungen nach, die durch das Blau gleiten, sie notieren unterschiedliche Geschwindigkeiten. Ihre Oberfläche glänzt matt und warm wie Seide; in Farben von Zimt, Tee, Erde, Kupfer und Gold glühen und blitzen die Zeichen wie Lichtreflexe auf dem Wasser. Sie fließen zu bewegten Mustern zusammen, Buchstaben bilden sich. Einzelne Schriftzeichen steigen auf, als wären sie leichter als die Luft; andere verweben sich zu Wortketten und dichten Textgefügen. Eine Schrift, die von weit her kommt. Das Zeichen scheint in seinen verschiedenen Aggregat -Zuständen eingefangen, wie es flüchtig in der Tiefe des Bewußtseins vorbeitreibt oder auf der Oberfläche wie ein Gesetzeswort eingemeißelt ist. Versenkung und scharfe Formulierung. Die Augen treffen auf großgeschriebene lesbare Worte: „Heilung Seele Gebet Innere Burg“.

Momentane Verwirrung. Aber ich war in keine Kirche hineingeraten, mußte mir auch nicht die Knie am Boden aufschlagen, um die Textbänder zu küssen, die jetzt plötzlich an die Stolen der Kirchenmänner erinnern. Absichtsvoll und irritierend spielt diese Inszenierung von Ursula Bierther mit den Formen sakraler Kunst, aber ohne autoritär und pathetisch Bewunderung zu verordnen. In dem visuell verführenden Geglitzer findet eine ungewohnte Annäherung statt.

Die Geschichte der unermüdlichen Klostergründerin und fleißigen Schreiberin Teresa von Avila hat die Kirche überliefert. Neu entdeckt wurde sie mit dem feministischen Vergrößerungsglas, das für eine weibliche Kulturgeschichte die Fragmente zusammensuchte. Die Autorin Reingard Jäkl, die sich seit 15 Jahren mit legendären Frauenfiguren des Mittelalters beschäftigt, steckte zwischen leidenschaftlichem Engagement und großer Aktivität einerseits, eigenem körperlichen Leiden andererseits, zwischen Keuschheit, Versagung und Versuchung, zwischen asketischen Lebensidealen und mystischem Rausch das extreme Spannungsfeld der Faszination ab, das von Teresa von Avila ausging. Beobachtet von der Inquisition, diffamiert als Herumtreiberin, verdächtig wegen der unkontrollierbaren Mystik blieb sie trotzdem mit ihrer Arbeit innerhalb der Institution Kirche. Sie schrieb - Geschichte ihres Lebens, Chronik ihrer Klostergründungen, Leitfäden für das Zusammenleben der Gemeinschaften, genaue Schilderungen ihres inneren Erlebens, in ihren letzten 20 Jahren um die 15.000 Briefe - und sorgte zu ihren Lebzeiten für Veröffentlichung. Die Aufbewahrung ihrer Schriften durch die Kirche ermöglichte ihre Wiederentdeckung.

Dieses Überleben in der Schrift nahm Ursula Bierther zum Weg der Annäherung. Sie illustriert nicht die Geschichte der Nonne (von Claire Bretecher gibt es über Teresa von Avila den Comic-Band Die eilige Heilige), sie inszeniert keine Mystik oder kultische Personen-Verehrung. Ihre Arbeit ist vielmehr kalligraphisch verdichteter Beleg der Auseinandersetzung. Sie schrieb die Texte von Teresa ab, ein anachronistischer und zeitraubender Weg des Nachvollzugs der Gedanken, der sich aber einer Form der Aneignung bedient, die im Jahrhundert der gerade erfundenen Buchdruckerkunst noch bedeutend war. In Wiederholungen und mehreren Schichten, die sich wie transparente Gewebe übereinanderlagern, schrieb Bierther Textpassagen ab, deren Aktualität sie berührte. Damit versucht sie auch, sich Religion und Philosophie als inspirierende Quellen der Kunst wieder zu erschließen, ohne dabei das Weihrauchfaß zu schwingen oder ihre Arbeit in imaginäre bedeutungsschwangere Ausrufezeichen zu setzen. Die skripturalen Farbassoziationen bilden einen Prozeß nach, kein Ergebnis. Ursula Bierther meint dies auch als Aufforderung zum eigenen Lesen der Texte von Teresa von Avila, deren Interpretation offenbleibt. Sprache und Schrift erscheinen aber gleichsam als Siegel auf Botschaften, die alle Sinne ergreifen.

Katrin Bettina Müller

„Teresa von Avila“, ein Weg der Kontemplation, von Ursula Bierther bis zum 8.November im FFBIZ, Danckelmannstraße 47; Di. 14 bis 18 Uhr, Do. 10 bis 13 Uhr, Fr. 15 bis 22 Uhr. Nur für Frauen.