Andere Sorgen als Kommaregeln

Interview mit Ursula Jack, von 1982 bis 1987 Lehrerin in der JVA für Frauen  ■ I N T E R V I E W

taz: Wie unterrichtet eine Lehrerin im Knast?

Ursula Jack: Ich habe auf der Jugendstation unterrichtet und viel mit Drogenabhängigen gearbeitet, die oft schon früh die Schule geschmissen hatten. Parallel dazu sollte ich eine Konzeption für schulische Bildung in der Frauenhaftanstalt entwickeln; eine Aufgabe, die mich natürlich sehr gereizt hat.

Und wie liefen die Kurse, die ihr angeboten habt?

Ganz unterschiedlich, es gab viele Anmeldungen, wobei man aber nicht davon ausgehen darf, daß alle Frauen von der totalen Motivation getrieben waren. Die kamen aus den unterschiedlichsten Gründen, weil der Arbeitsplatz in der Anstalt mies war oder um sich mit anderen Frauen treffen zu können. In den Kursen haben wir uns dann auch viel mit einer Null-Bock-Haltung rumschlagen müssen. Es gab häufig Situationen, da kamen die Frauen einfach mit ihrer ganzen Lebenssituation nicht mehr zurecht und hatten andere Sorgen, als 'ne Kommaregel zu lernen.

Bringt das was, in einer Situation zu lernen, die geprägt ist von Zwang und Eingesperrtsein?

Es sind natürlich schwierige Bedingungen, und ich kann nur sagen, daß wir das immer wieder mal ganz gut geschafft haben. Es gab auch Momente, wo die Frauen gesagt haben: Es ist toll, hier auch mal was anderes zu machen und zu sehen, daß man was leisten kann. Das gab es nicht immer, aber eben auch.

Warum bist du dann schließlich weggegangen?

Ich glaube, letztlich gescheitert ist die Zusammenarbeit an den grundsätzlich anderen Vorstellungen von Pädagogin und Justiz über die Bedingungen, die Menschen brauchen, um sich entwickeln zu können. Ich war einfach am Ende meiner Kräfte wegen all der Kompromisse, die wir machen mußten und die das Bildungskonzept schließlich auf ein Minimum reduzierten.

Interview: Christina Dankbar