Keine Zeit

■ „Neues Deutschland“ von Cordt Schnibben

Als ZEIT-Autor hatte Cordt Schnibben einen Fanclub. Wer seine Reportagen aus der schönen neuen Welt des Tourismus und der Computer, aus Monte Carlo, Rheinhausen, Istanbul und der TAGESSCHAU noch nicht kennt oder sie wiederlesen will, kann sie jetzt gesammelt haben. Der Autor arbeitet jetzt beim SPIEGEL und hat seiner Sammlung von ZEIT-Artikeln einen über seinen alten Arbeitgeber hinzugefügt. Er sollte zur Pflichtlektüre jedes Publizistikstudenten gehören. Wie übrigens auch Joseph von Westphalens Bericht über dasselbe Blatt in der taz vom vergangenen Samstag. Wenn auch nur ein Bruchteil von dem stimmt, was Schnibben berichtet, so erleben wir gerade, wie Helmut Schmidt eine der wichtigsten deutschen Zeitschriften ruiniert, statt Schaden von ihr abzuwenden. Wer sich darüber wunderte, daß eine so hoch qualifizierte Redaktion wie die der ZEIT Helmut Schmidt seitenlang sich in der ZEIT mit „meinem Freund“ Leonard Bernstein sich „ausmähern“ (Rudolf Augstein) ließ, der wußte nicht, was ihm alles erspart wurde. Ein ebensolanges Gespräch mit „meinem Freund“ Karl Schiller z.B.. Schmidts redaktionelles Konzept charakterisiert Schnibben so: „Am häufigsten bevorzugt der Journalist Helmut Schmidt die persönliche Botschaft, am liebsten läßt er Glückwunschschreiben und Beileidsbekundungen, als Artikel getarnt, in der ZEIT abdrucken. Da er keine Orden mehr zu vergeben hat, ehrt er seine alten Freunde mit einem kleinen Artikelchen im deutschen Weltblatt. Denn 'Solche Freundschaften zwischen Männern können zu den engsten Beziehungen gehören, deren Menschen fähig sind.'“ Wann wird die taz endlich klug und aufgeklärt genug sein, Nutzen aus dieser Misere zu ziehen? Hat sie noch Zeit dazu?

A.W.

Cordt Schnibben, Neues Deutschland - Seltsame Berichte aus der Welt der Bundesbürger, Rasch und Röhring, 315 Seiten, 29,80 DM