Grünes Finanzdebakel in Nordrhein-Westfalen

Nach achtmonatiger Arbeit legt Rechnungsprüfungskommission Bericht über das Finanzgebaren der Partei vor / 110.000 Mark sind bereits verlorengegangen / Mit weiteren Verlusten in Höhe von 350.000 Mark ist zu rechnen / „Treuarbeit“ stellt „Unredlichkeit“ fest  ■  Aus Düsseldorf J. Nitschmann

Acht Monate lang hat eine dreiköpfige „Rechnungsprüfungskommission“ das Finanzgebaren der nordrhein-westfälischen Grünen in den zurückliegenden vier Jahren untersucht. In ihrem 84seitigen Abschlußbericht, der am Freitag in Düsseldorf der Presse vorgelegt wurde, sprechen die Finanzkontrolleure von einer „bedrückenden Mängelliste“, die von ihnen in der Buchhaltung der grünen Landes-Partei aufgedeckt worden sei.

Alleine durch heute nicht mehr zu klärende Kassendefizite (21.700 DM), durch ungeklärte Buchungsvorgänge auf einem sogenannten „Scherbenkonto“ (15.700 DM), durch die Abschreibung nicht mehr einbringbarer Darlehen und Vorschüsse (41.000 DM) sowie Zinsverluste in Höhe von etwa 30.000 Mark sind den nordrhein-westfälischen Grünen nach den Feststellungen der Kommission seit 1983 rund 110.000 Mark verloren gegangen. Hinzu kommen aktuelle Außenstände bei Darlehen und Vorschüssen in Höhe von rund 350.000 Mark, etwa ein Drittel des Jahresetats also, deren Rückzahlung in großen Teilen ausgesprochen fraglich erscheint.

Trotz der zum Teil vernichtenden Kritik der Finanzkontrolleure malte Landesvorstandsprecherin Tina Morgenschweiß vor der Presse ein arg geschöntes Bild über die Finanzsituation ihrer Partei: Sämtliche Vorwürfe, bei den NRW-Grünen habe es „Finanzmanipulationen, persönliche Bereicherung oder Betrug“ gegeben, hätten sich durch den vorliegenden Untersuchungsbericht als „haltlos und unwahr“ erwiesen. Schon gar nicht könne von einer „Vertuschung, Manipulationen oder Abwiegelei“ im Finanzbereich der Landes -Grünen die Rede sein, sagte die Landesvorstandssprecherin und lehnte politische Konsequenzen aus diesem Bericht, wie etwa den Rücktritt des Landesvorstandes, entschieden ab.

Wer denn verantwortlich sei, für die selbst von Tina Morgenschweiß eingestandenen „nicht wegzuleugnenden Fehler, Mängel und Unzulänglichkeiten“ im Finanzgebaren der NRW -Grünen, wenn nicht der Vorstand, wollten die Journalisten wissen. Tina Morgenschweiß: „Das war bei uns nicht so eindeutig geregelt.“ Für sie sei allerdings maßgeblich, daß sich die Situation in den vergangenen zwei Jahren entscheidend gebessert habe.

Selbst dafür gibt es keinen eindeutigen Beleg. Das Testat der „Treuarbeit“, die bei der Untersuchung beteiligt war, fällt für den Zeitraum 1986/87 geradezu vernichtend aus. Zunächst spricht die renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in ihren Schlußfeststellungen in der ihr eigenen Zurückhaltung von „Mängeln im buchhalterischen Standard“ bei den NRW-Grünen. Konkret stellt die „Treuarbeit“ fest: „Insbesondere die Kassenführung erfolgte nicht entsprechend den allgemeinen Erfordernissen, wobei interne Kontrolleinrichtungen, die nicht nur dem Verhindern von Fehlern bei der Erfassung von Geschäftsvorfällen, sondern auch dem Verhindern von Unredlichkeiten dienen, zumindest in der ersten Hälfte des Haushaltsjahres 1986 völlig fehlten und in der restlichen Zeit des Untersuchungszeitraumes kaum vorhanden waren. Eine Kassenrichtlinie bestand nicht.“

Darüber hinaus - so stellten die parteigenen Finanzkontrolleure fest - „haperte es im gesamten Unmtersuchungszeitraum sowohl mit der Pünktlichkeit als auch mit der Korrektheit“ bei den Abführungen der Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeiträge. Die Rechnungsprüfungskommission kommt zu dem Ergebnis, daß „in allen genannten Jahren zuwenig Lohnsteuer gezahlt wurde“ und „Aushilfslöhne auf falscher Grundlage versteuert“ worden seien. Zwischenzeitlich haben die NRW-Grünen Selbstanzeige beim Finanzamt erstattet und im Februar dieses Jahres eine Steuernachforderung in Höhe von 45.257 Mark beglichen.

Nach Auffassung der dreiköpfigen Partei-Kommission war der von den Grünen eingestellte Buchhalter „fachlich nicht in der Lage, eine rechtlich und numerisch einwandfreie Personalbuchhaltung zu gewährleisten“. Die Verantwortlichen hätten bereits früher „personelle und organisatorische Konsequenzen“ ziehen müssen: „Wir halten den Glaubwürdigkeitsverlust, den die Grünen gerade durch Fehler in diesem Problembereich erleiden, für politisch schädlich“, heißt es in dem Kommissionsbericht.

Einer Bewertung, ob für die hohen Defizite in der grünen Parteikasse alleine Schlamperei und Fahrlässigkeit verantwortlich sind oder ob hier womöglich persönliche Bereicherung und Betrug vorliegen, hat sich die Finanz -Kommission ausdrücklich enthalten. Ihr Vorsitzender Michael Vesper, Fraktionsgeschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion: „Wir wollten über Bewertungen nicht irgendwelche Interpretationen oder Spekulationen auslösen, sondern nur die Fakten vorlegen.“