Linksaußen gibt es keine Freiheit

■ Bayern - Stuttgarter Kickers 3:0 / Wiggerl kann sein „Spui spuin“ / Hoeneß-Plan (bei Nichterfolg Geld zurück) geplatzt

München (taz) - Es stimmt unsereinen schon recht traurig, wenn er mit ansehen muß, wie so ganz langsam aber unaufhaltsam die Originale in den Fußballstadien immer weniger werden. Da ist man um jeden dankbar, der noch etwas Besonderes darstellt, wie der Ludwig Kögl, Wiggerl genannt, für viele schon jetzt einer der letzten Fußball-Mohikaner.

Der hat das Fußballspielen als Linksaußen erlernt, und die sind nun wirklich ausgestorben. Für diese Lehre muß man dem FC Penzberg danken und seiner Oma, mit der er immer trainierte. Später dribbelte er sich immer näher an die Landeshauptstadt heran, um schließlich beim TSV 1860 München zu landen; dort erst entdeckten ihn die Bayern. Es waren nicht wenige, die sich als Seher betätigten, und dem Wiggerl eine Existenz auf der Ersatzbank der Bayern zu prophezeien. Da saß er dann auch meist bis zur 70. Minute. Weil aber die modernen Fußballsysteme nicht nur langweilig sind, sondern auch oft noch versagen, durfte der Kögl zum Ergötzen der Zuschauer die letzten 20 Minuten wirbeln. Das geschah im Jahre 1984, seinem ersten Profijahr bei den Bayern. Er wurde Fußballer des Jahres und spielte sogar zweimal in der Auswahl von Franz Beckenbauer. Dann aber war's vorüber mit des Ludwigs Herrlichkeit auf dem Spielfeld. Udo Latteck unterzog ihn einer gnadenlosen Umschulungsaktion. Weil es Freiheit auf der linken Seite nicht geben darf im Bayernland, mußte der Ludwig ins Mittelfeld. Man brachte ihm das Hineingrätschen bei und nannte dies „Durchsetzungsvermögen“. Er muß aber ein schlechter Schüler gewesen sein, denn es wurde ruhig um ihn. Einmal noch, beim Europapokalfinale gegen Porto in Wien, da zauberte er als einziger der Bayern, traf ins Netz, welche Seltenheit!, und verlor doch.

Erst Jupp Heynckes weckte den Ludwig aus seinem Dornröschenschlaf. Wieder etwas mehr links draußen, auf fußballdeutsch „hängende dritte Spitze“, das förderte seine Wiederauferstehung, so daß er sein „Spui spuin“ konnte.

Sein Spiel war es aber nicht ganz am Samstag gegen die Kickers aus Stuttgart. Erst in der zweiten Hälfte glänzte er trotz eines Gegners, der nur darauf bedacht war, kein Tor zu kassieren. Zusammen mit Thon und Wohlfarth ließ er den öden Nachmittag in einem etwas besseren Licht erscheinen. Da freute sich selbst der stoische Heynckes dermaßen, daß er den Sitzplatz verließ, um zu jubeln. Aber wahrscheinlich hat ihn nicht nur die herrliche Kombination begeistert, sondern der Torerfolg seines Schützlings Wohlfarth. Der ist bei den Münchner Fans nicht gut gelitten, und nur wenige halten große Stücke von ihm. Vorher schon hatten die Münchner durch einen Weitschuß von Thon und ein Geschenk des Finnen im Kickerstor, das Augehthaler dankbar annahm, eine 2:0-Führung erzielt.

Stuttgarts Trainer Manni Krafft bejammerte hinterher die katastrophalen Fehler seiner Mannen, die zu den Toren geführt hatten, um gleichzeitig den Münchnern zu einem guten Spiel zu gratulieren. Etwas nachdenklich gab sich Kollege Jupp Heynckes, der anmerkte, daß es immer schwieriger werde, den zahlenden Zuschauer zufriedenzustellen. Vermeintlich schwache Kontrahenten stellen sich immer nur hinten rein und vermeiden tunlichst, ein Spiel aufkommen zu lassen.

Fußballerisch konnten die Bayern die Kickers nicht brüskieren, das schaffte nur deren Manager Uli Hoeneß. Der nämlich plante die Rückerstattung der Eintrittsgelder, falls die Münchner nicht mit drei Toren Unterschied gewinnen sollten. Heynckes distanzierte sich recht deutlich von den Hirngespinsten des Hoeneß. Er spreche dabei auch im Namen seiner Mannschaft, die dabei sicherlich nicht die Beleidigung schwacher Gegner im Auge hatte, sondern vielmehr die Siegesprämien, die Hoeneß bei andersartigen Ergebnissen nicht mehr auszahlen will.

Werner Steigemann

MÜNCHEN: Aumann - Augenthaler - Nachtweih, Flick, Pflügler Reuter, Dorfner, Thon (77. Eck), Kögl - Wohlfarth, Wegmann (77. Ekström)

Stuttgart: Laukkanen - Schön - Hein, Schlotterbeck, Kleinhansl - Ossen, Elser, Schüler, Grabosch (73. Allgöwer)

-Hjelm, Vollmer (83. Schindler)

Zuschauer: 15.000

Tore: 1:0 Thon (12.), 2:0 Augenthaler (26.), 3:0 Wohlfarth (57.)