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40 Jahre BRD - ein Anlaß zum Feiern?

Polizeischau, feierliches Bundeswehrgelöbnis und Leistungsschau Bevölkerungsschutz zum 40jährigen Jubiläum der Bundesrepublik, damit der Jugend der beispiellose Werdegang des Landes deutlich werde / Der 50.Jahrestag des deutschen Angriffs auf Polen findet kaum Beachtung  ■  Aus Bonn Oliver Tolmein

40 Jahre Bundesrepublik Deutschland werden nächstes Jahr gefeiert: das sind 40 Jahre Grundgesetz, 40 Jahre Bundeskanzler, 40 Jahre Bundespräsidenten - kurz und schlecht, 40 Jahre voller Ärgernisse, Nervereien, Repression und Enttäuschungen. Und die Bundesregierung ist offensichtlich gewillt, auch dem Naivsten klar zu machen, was für ein Staatenwesen da zum Jubiläum antritt: Das Programm, das im Dezember als Hochglanzbroschüre veröffentlicht wird (der taz liegt es als „vorläufige Fassung“ vor), liest sich wie der Veranstaltungskalender eines ambitionierten Schützenvereins - nur daß am Ende kein König gekürt wird.

Nach einem etwas bemühten Auftakt im Januar („Bonn ist 2000“) und einem intellektuellen Highlight im Februar („Symposium Christen und Grundgesetz“) kommen die Veranstalter im März ganz zur Sache: Eine „Leistungsschau Bevölkerungsschutz, Vorstellen der Einheiten und Einrichtungen des modernen Katastrophen- und Zivilschutzes“ will das Bundesinnenministerium in Bonn vorführen. Die Leute, die den Zivilschutz erst nötig machen, haben ihren großen Tag am 4.Juni: obwohl gerade erstmal 33 Jahre alt, darf auch die Bundeswehr mitfeiern - mit einem „feierlichen Gelöbnis unter Beteiligung von Soldaten aller Teilstreitkräfte“ tritt sie in Koblenz an. Gewisse Unsicherheiten, ob man dort mit Pomp und Preußens Glanz und Gloria unter sich Kriegsspezialisten bleiben wird, gibt es im „Verteidigungs„-Ministerium schon: „Aber wir sind dafür da, daß man uns hier stören kann - in anderen Ländern dagegen können Militärveranstaltungen nicht gestört werden“, erläutert ein Sprecher aus dem Hause Scholz die besonderen Aufgaben der Bundeswehr und die Freiheit, die sie um jeden Preis verteidigen will.

Wer die Bundeswehr bei ihrem Versuch, die Freiheit durch ein öffentliches Gelöbnis zu verteidigen, schützen wird, ist klar: BGS und BKA. Und nachdem die sich tapfer geschlagen und von den Strapazen erholt haben werden, werden sie selbst ins Flutlicht der Fernsehkameras getaucht: „Große Polizeischau des BGS unter Beteiligung von BKA und der Polizei der Länder“ wird uns für das Wochenende 30.6./1.7. in Bonn in der Rhein-Aue versprochen. Und wer bewacht? Die Bundeswehr?

Wenn die Bundeswehr mitfeiern darf, obwohl sie erst 33 Jahre alt ist, und die Bundeshauptstadt, obwohl sie schon vergreiste 2.000 Jahre auf dem Kopfsteinpflaster hat, dann spricht auch (fast) nichts gegen die ins Jubiläums-Programm integrierte „Bundesversammlung des Bundes der Mitteldeutschen“ am 17. und 18.August in der bereits in diesem Jahr als Kongreßstadt bewährten ehemaligen Reichshauptstadt Berlin (von „West“ steht nichts im Programm): das ist schließlich bis auf 14 Tage genau der 50.Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen. Eine entscheidende Motivation, den 40-Jahre-Staatsakt überhaupt so pompös zu begehen, war es, dieses „runde“ Jubiläum des deutschen Angriffskrieges möglichst entschlossen übergehen zu können. Ganz gelungen ist das allerdings nicht: „Voraussichtlich“ - wie es im Programm heißt und das meint, nur aufgrund der Intervention der FDP - wird am 1.9.1989 in zwei gesonderten Veranstaltungen, die ganz unbestimmt „Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs“ (von wo ist er denn ausgebrochen?) betitelt sind, ja was, bedauert, gefeiert, erinnert?

Schon diese Frage aber wird im September gar nicht mehr gestellt werden müssen - denn die am 11.Mai 1989 passenderweise in der „Hauptstadt der Bewegung“ in Nürnberg eröffnete Wanderausstellung stellt schon im Titel programmatisch klar, daß „wir“ mit der NS-Diktatur nichts zu tun haben: „Soviel Anfang war nie - Aufbruch aus Trümmern.“ Der nörgelnden SPD-Bundestagsfraktion, die monierte, das „Warum“ der Trümmer werde in dem Titel nicht angetippt, konnte die Bundesregierung elegant in die Parade fahren: der Titel ist nämlich vom Nürnberger SPD-Kulturdezernenten Glaser ersonnen worden.

Interfraktionell freudig erregt - noch hat sich kein Miesmacher gefunden - warten unsere VertreterInnen im Parlament dann auf „ihre“ große Stunde: „Mit Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern des Bundestages und deren Ehepartnern“ wird am 7.September, dem Geburtstag des Deutschen Bundestages, von morgens bis abends „gemeinsam gefeiert“ und empfangen. Am 12.9. gedenkt die BRD dann anläßlich eines „Informationstages“ der „Dritten Welt“. Warum eigentlich? Weil IWF so schön war? Fragen, die vielleicht am 25.9. gestellt werden können, wenn sich das „Symposium Meinungsvielfalt und Pressefreiheit als Voraussetzung der Demokratie“ in Frankfurt am Main in einen zweifellos äußerst komplexen Diskurs vertiefen wird.

Wer dann noch Kraft hat, kann nach München touren, wo vom 27. bis 29.9 das Bundesinnenministerium einen „Fachkongreß: Die wehrhafte Demokratie - 40 Jahre innere Sicherheit“ ausrichten wird. Taktvollerweise im Ruhrgebiet werden dann die, die es immer noch nicht gemerkt haben, am 30 und 31.Oktober durch einen Kongreß darüber belehrt, wie gut sie's doch, Zechensterben hin, Berufsunfähigkeit her, haben: „40 Jahre Sozialstaat Bundesrepublik Deutschland“.

Womit wir beim Geld wären: ganz umsonst bekommen wir SteuerzahlerInnen soviel Deutschland nicht geboten. 13 Millionen Mark sind allein im Bundestag für die Veranstaltungen veranschlagt, weitere Gelder in Millionenhöhe werden die Kommunen und Länder berappen.

Danke. Wir hören die Signale.

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