Vor dem freien Fall?

■ Der unaufhaltsame Abstieg des Gerhard S.

Gerhard Stoltenberg ist der Absteiger des Jahres. Einst Publikumsliebling und Kronprinz für die Kohl-Nachfolge, fällt dieser Mann in der Gunst seiner Parteifreunde wie der Öffentlichkeit mit wachsender Geschwindigkeit nach unten. Als Kassenwart der Republik fiel er in Ungnade wegen des mißlungenen „Jahrhundertwerks Steuerreform“ und des größten Haushaltsdefizits aller Zeiten. Als Heuchler steht er nach dem Tornado-Kredit da. In Schleswig-Holstein flog der „Kieler Saustall“ auf.

Seit 1971 als Vorsitzender der Nord-CDU im Amt, führte Stoltenberg die Partei 1988 in die schwerste Wahlniederlage seit vier Jahrzehnten. In Travemünde gelang es dem Parteichef erstmalig nicht mehr, jüngere Delegierte daran zu hindern, den grandiosen Flachsinn der Stoltenbergschen Leitanträge zu kritisieren.

Und doch ist er nicht am Ende. Weder in Bonn noch in Kiel verfügt die Union derzeit über personelle Alternativen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Landespartei im kommenden Jahr ihr politisches Abseits mit der Wiederwahl Stoltenbergs fortschriebe. Bei der plattdeutschen Garde des alten Mittelmaßes gelten weder Nachwuchspolitiker noch etwa ein CDA-Landesvorsitzender als mehrheitsfähig. So könnte der Norddeutsche weiterhin ungeniert in Bonn und Kiel agieren sofern nicht doch noch eine Bombe platzt. Sollte Stoltenberg nachgewiesen werden, daß er Barschels Machenschaften gebilligt hat, dann wird sein Abstieg im freien Fall enden.

Petra Bornhöft