Can U Feel It?

■ Erste Acid House Party im Tempodrom

„Can U Party?“, war Sonntagnacht die Frage im Tempodrom. Vor dem Zelt eine Gruppe kleiner, ständig „ACEEED!“ kreischender Engländerinnen und ein Schild: „Just Music, No Drugs!“ Wie Knoblauch die Vampire vertreibt, so sollte dieses Schild die House-Music-assoziierte Kunstdroge Ecstacy fernhalten. Und es gelang, im Zelt jedenfalls konnte man nur die Volksdröhnung Nummer eins, den Alkohol, fließen sehen. (Ist 'nen wahnsinniger Fortschritt, das Saufen - d.S.)

Was sonst nur kleinen Orten auf dem Land widerfährt, geschah am Wochenende der „Weltstadt“ Berlin. Mit einer durch die Bundesrepublik tourenden Disco kamen der Londoner DJ Stephen Green und der Lichtdesigner Peter Rubin in die Diaspora unserer Halbstadt, um uns Acid House zu bringen. Diese Musik füllt seit knapp einem Jahr in London und New York und erst recht in der Heimat des House-Sound, in Chicago und Detroit, die Tanzpaläste randvoll.

Ein monotoner Tanzbeat wird abwechselnd mit verschiedenen Geräuschen unterlegt: Es ist ein Quietschen und Kreischen, ein Knarren und Surren. Luxuriöse Ausgaben, meist für den Chart-Gebrauch produziert, enthalten hin und wieder auch mal eine Textzeile. Der Acid-typische Lichtdom wurde im Tempodrom noch durch auf Videowände projezierte bizarre und pulsierende Fabskulpturen ergänzt. Die Szene ist ein wilder Mix aus den Tanzbeats der 80er und psychedelischer Musik der frühen 70er. Von vielen bereits mit dem tiefgreifenden Einfluß des Punks in den Endsiebzigern verglichen, ist Acid House mindestens die Versöhnung von Hardcore und Disco, die gerade zu Zeiten des Punk so auseinandergefallen waren.

Der hartgesottene Fan trägt sein Smiley-T-Shirt, ein Kopftuch und - man lese und staune - Kleidung im Batikstil. (Raus die Farbtöpfe!) Getanzt wird zuckend und durchaus ekstatisch. Der Kopf wird glücklich lächelnd hin- und hergeschüttelt. Doch letztlich ist so ziemlich alles erlaubt, was Spaß macht - Schluß mit der Coolness der 80er. Das Zelt war gerammelt voll und gegen Mitternacht verging sogar die eisige Kälte, gegen die auch die Zeltheizung nicht vollständig angekommen war. Gekommen waren Discokids, durchgestylte Besatzerkinder und viel Halbprominenz vom Filmemacher bis zum Rundfunkmoderator. Und schließlich waren unter den knapp 1.000 Gästen sicher mehr Homos als am Vorabend beim Benefizkonzert gegen die britische Section 28 am gleichen Ort.

Denen, die am Sonntag den Weg ins Tempodrom-Zelt gefunden hatten, gefiel es jedenfalls. Und da Acid House sich schon länger als resistent gegen „neue Trends“ erweist, wird uns der Sound wohl noch eine Weile begleiten. Disco ist wieder in: „Can U Feel It?“

Andreas Salmen