„Modernisierung“ mit dem Beil

■ Ohne gerichtliche Klärung eines Rechtsstreites abzuwarten, ließ Hauseigentümergesellschaft drei Wohnungen verwüsten

Zur Durchsetzung von umfassenden Modernisierungsvorhaben schrecken Berliner Hauseigentümer in Einzelfällen offenbar nicht vor der Anwendung brachialer Gewalt gegenüber Mietern zurück. Diese Erfahrung mußte kürzlich der 51jährige Bauingenieur Jürgen Wöbke machen. Wie berichtet, wurden drei von ihm und seiner Frau im Hause Wilmersdorfer Straße 16 zum 1. August angemietete und teilweise schon bezogene Wohnungen Anfang Oktober durch rabiate Bautrupps vollständig unbenutzbar gemacht. Wöbke: „Zwei angeblich vom Architekten der Eigentümergesellschaft beauftragte Arbeiter kamen gleich viermal innerhalb einer Woche. Sie zerstrümmerten bei einer der Wohnungen wiederholt die Türfüllung mit einem Beil oder einem ähnlichen Werkzeug.“ Auszug aus der hinterher von den Betroffenen gefertigten schriftlichen Chronik des Zerstörungswerkes: „Bäder unbenutzbar gemacht, sämtliche Objekte entfernt einschließlich der Hähne; Kacheln bzw. Putz von Wänden und Fußböden der Bäder abgestemmt; Elektroherde aus den Küchen abtransportiert, Einbauten herausgerissen und auf den Hof geworfen.“

Erst das Amtsgericht Charlottenburg verhalf dem Ingenieur per Erlaß einer Einstweiligen Verfügung zunächst wieder zu seinem Hausrecht. Daß ein solches Wöbke zusteht, wird von der Hauseigentümergesellschaft „pro omnis Verlags GmbH“ bestritten. Bereits im Sommer focht die Gesellschaft, die das Haus im April von einer Erbengemeinschaft ersteigert hatte, per Klage beim Amtsgericht Charlottenburg die Wirksamkeit der von dem Ingenieur noch mit einem Bevollmächtigten der Erbengemeinschaft geschlossenen Mietverträge aus verschiedenen Gründen an. Doch über die Klage ist noch nicht entschieden.

„Die Wohnungen sind zerstört und als solche nicht mehr nutzbar“, teilte indes der Anwalt der Gesellschaft bereits im September dem Amtsgericht mit. Er behauptete weiter, daß das nunmehr leerstehende zweistöckige Mietshaus Baujahr 1864 „mit Förderung des Landes Berlin und mit Zusammenarbeit mit dem Landeskonservator“ total umgebaut werde. Anders die Charlottenburger Bauaufsicht. „Es ist weder ein Bauantrag eingereicht, noch ist beim Bezirk ein Antrag auf Zuschüsse zur Modernisierung mit öffentlichen Mitteln gestellt worden.“ Das Bauordnungsrecht gebiete aber so oder so, daß die demolierten Wohnungen wieder bewohnbar gemacht werden.

Inzwischen stimmte der von der Zerstörung seiner Wohnungen betroffene Bauingenieur nach Angabe seines Anwaltes bis zur Entscheidung über eine Klage gestern einem gerichtlichen Vergleich zu. Danach darf zunächst weder er noch die Hauseigentümergesellschaft über die Wohnungen verfügen.

thok