VOM WAHREN-SCHÖNEN-GUTEN

■ Professor Tugendhats philosophische Ringvorlesung

Im Rahmen der Ringvorlesung „Was ist Philosophie“ wird sich heute wie vergangenen Dienstag Professor Tugendhat mit der Beantwortung dieser Frage befassen.

Er begann dies letzte Woche im Hörsaal 1 der Rostlaube mit einnem Aufruf zum Protest (“... ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht.“) Zum Protest gegen die geplante Zusammenlegung der Philosophen mit den Theologen und den restlichen Orchideenfächern (Ethnologie etc.) zum Fachbereich „Kulturwissenschaften“. Na, ist doch immer noch besser, als zur Betriebswirtschaft oder Jurisprudenz verlegt zu werden!

Doch was war nun Philosophie: Hier schien es erforderlich, anerkannte Autoritäten heranzuziehen, in der Reihenfolge ihres Auftretens Husserl, Hegel, Aristoteles, Platon, Kant, Wittgenstein und irgendwann dann auch noch Heidegger.

Ob nun Universalwissenschaft aus absoluter Begründung oder Teleologie der menschlichen Vernunft, die Philosophie steht unter dem Primat der Praxis. Zur Philosophie als einer Familie von Begriffen ist nach Tugendhat eine Landkarte zu entwerfen, mit verschiedenen Regionen auf dem Kontinent des Wissens, mit drei Himmelsrichtungen auf Das Ganze, Die Begründung, Das Gute, und umschlossen vom Ozean des Mythos, der Wünsche und Gefühle.

Darauf folgte eine scharfe Abgrenzung der Philosophie gegen Religion und Kunst.

Kunst stelle keine Aussagen „auf“, was am „als ob„ -Charakter von Roman, Erzählungen und Epos deutlich werde. Kunst sei weder begründungsbedürftig noch begründungsfähig. Aus der späteren Diskussion: „Ist denn Nietzsche nun ein Philosoph oder ein Kunstwerk?“ In der Religion dagegen wird jede Begründung ersetzt durch das unantastbare Heilige, durch das Vertrauen in eine göttliche Person, wobei der Glaube das spezifische Für-wahr-halten der Existenz dieser Person voraussetze.

Gegen Glauben ohne Zweifel und gegen bloßes Meinen zielt die philosophische Aufklärung auf durch den Zweifel hindurchgegangenes Wissen, geleitet vom immanuelschen Mut, sich ohne Anleitung seines Verstandes zu bedienen.

Damit war der Affe rund, und niemand wollte es mehr mit Marx beweisen, daß die Philosophie nichts anderes ist als die in Gedanken gebrachte und denkend ausgeführte Religion; eine andere Form der Daseinsweise der Entfremdung des menschlichen Wesens; also ebenfalls zu verurteilen.

Vielmehr hielt man es (die höheren Töchter eingeschlossen) mit Jaspers: „Was Philosophie sei und was sie wert sei, ist umstritten.“

In der Aussprache brachte ein patchwork-Theoretiker seine harsche Kritik an Tugendhats geschichtsphilosophischer Systematitk an. Keine Philosophie mehr, nur noch Verflechtung von Diskursen. Der Philosoph sei dann für Nix zuständig, solche Leute würden aber gebraucht.

Das war, wie sich herausstellte von Ambrose Bierce geklaut, Des Teufels Wörterbuch: „Philosophie, die Strecke mit vielen Wegen, die von Nirgendwo nach Nichts führen.“ Mit dialektischer Schlagfertigkeit kam es retour: Nix sei ja wieder Alles.

Was denn nun Tugendhat von der Philosophie habe, wollte ein Erstsemester wissen. „Äh, das frag ich mich auch. - Ich weiß nicht, ob ich die Neigung haben soll, das auf die nächste Woche zu verschieben...“ Immerhin dies war ihm zu entlocken: Moralität. Orientierung in der Welt, Freude an der theoretischen Arbeit an und für sich. Und bezahlt wirds ja auch ganz gut.

Abschließend bedauerte Tugendhat an seinem Vortrag die mangelnde konkrete Weltorientierung, auf deren Begriff er das nächste Mal eingehen werde.

Karsten Dose

Zudem setzt er sich heute mit dem Verhältnis der Philosophie zu den Einzelwissenschaften (Biochemie, Ökotrophologie, Nomologie etc.) auseinander: Rostlaube HS1, 20 Uhr c.t.