Gut geplündert ist halb geschröpft-betr.: "Die Blüm-GmbH bittet zur Kasse", taz vom 25.10.88

betr.: „Die Blüm-GmbH bittet zur Kasse“, taz vom 25.10.88

So, so, die Versicherten plündern die Krankenkasse - noch bevor Norbert Blüm eben diese Versicherten schröpfen kann. Gemein! - diese Versicherten...

Doch, wenn mensch dieses Gesundheitsreform-Gesetz in Zusammenhang mit der Rentenreform, der Steuerreform, der 9.Novelle des AFG und den schon bestehenden Gesetzen und Bestimmungen, wie zum Beispiel der Bedürftigkeitsprüfung, sieht, wären die Versicherten ja nicht ganz bei Groschen, würden sie nicht jetzt ihre Zähne in Ordnung bringen, sich eine neue Brille verschreiben lassen etc.

In 69 Prozent aller bundesrepublikanischen Haushalte gibt es mindestens eine/n Erwerbslose/n. Läuft das Arbeitslosengeld aus, wird geprüft, ob der/die LebenspartnerIn oder/und ein Familienmitglied nicht etwa „zuviel“ verdient und deshalb den/die AntragstellerIn unterstützen kann und er/sie somit nicht „bedürftig“ ist, also auch keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe hat. Wegen dieser Bedürftigkeitsprüfung beziehen allein in Hessen 43.000 Erwerbslose keine Leistungen vom Arbeitsamt mehr.

Diese 43.000 müssen notgedrungen zum Sozialamt. Dort erwartet sie selbstredend eine neuerliche Bedürftigkeitsprüfung. Bei „Bedarfsgemeinschaften“ (Haushaltsgemeinschaften) werden die nicht sozialhilfeberechtigten Haushaltsmitglieder als fiktive Sozialhilfeempfänger eingestuft - und ihr, den jeweiligen Regelsatz/Bedarf übersteigender Einkommensanteil wird voll auf den Sozialhilfeanspruch der AntragstellerInnen angerechnet. Das Haushaltseinkommen übersteigt - trotz Erwerbsarbeit - nicht das Sozialhilfe-Niveau. 22.360 Erwerbslose bekommen aufgrund dieser Bedürftigkeitsprüfung durch die Sozialämter - allein in Hessen - keine Sozialhilfe. Wieviel Haushalte von der Bedürftigkeitsprüfung real betroffen sind, kann sich mensch leicht ausrechnen.

Wie sollen die Versicherten aus den von der Bedürftigkeitsprüfung betroffenen Haushalten denn die „Eigenleistung“ von 40 bis 60 Prozent der Kosten bei Zahnersatz oder die 40 Mark für ein neues Brillengestell aufbringen?

Wir Erwerbsloseninitiativen fordern deshalb:

1. Weg mit diesem „Gesundheitsreform-Gesetz“!

2. Abschaffung der Bedürftigkeitsprüfung und statt dessen Beschäftigungsprogramme in gesellschaftlich nützlichen Bereichen, regionale Strukturprogramme und Existenzgeld!

Reinhold-Eberhardt Rückert, Sprecher der hessischen Erwerbsloseninitiativen Sozialtherapie Frankfurt e.V./Aktion Erwerbsloser Frankfurt