Spielend Wale retten

Ein Rundgang durch die Essener „Spiel 88„-Messe  ■ Der HOMO LUDENS sagt Du zu Ihnen

Nicht nur Geschäftsleute ließen sich auf der Essener Messe „Spiel 88“ in den Bann spielerischer Unterhaltung ziehen. Familien, Jugendcliquen, ganze Schulklassen stritten an den Ständen der 228 Aussteller mit- und gegeneinander. Die größte europäische Publikumsmesse für Spiele verzeichnete mit über 70.000 Gästen einen neuen Besucherrekord.

Der Messe-Termin - etwa zwei Monate vor Weihnachten - ist kein Zufall: Über die Hälfte aller Spiele werden jeweils im letzten Quartal verkauft. So werden sich in diesem Jahr auf manchem Gebentisch wohl auch einige der über 170 Messeneuheiten wiederfinden. Die Zahl der neuheiten zeigt, daß der Spiele-Boom noch längst nicht vorbei ist. Im vergangenen Jahr wurden auf dem Spiele-Markt rund 480 Millionen Mark umgesetzt - das motiviert den Erfindungsgeist der Branche.

Die Bandbreite der Neuheiten ist groß. Der Spieler kann kurzzeitig zum Top-Aktionär oder Schoko-Manager avancieren, er kann Wale retten, einen menschlichen Organismus vor dem Sterben bewahren oder eine Backgammon-Reise durch das Weltall antreten. Quizspiele allerdings sind out.

Hauptaugenmerk der Messe-Besucher galt den Spielen, die von der Marburger Kritiker-Jury ausgezeichnet worden waren. Das diesjährige „Spiel des Jahres“, „Barbarossa“, überzeugt durch eine völlig neue Grundidee: Selbstgeformte Figuren aus Knetekitt sind mit allerlei Tricks und trotz eingebauter Hindernisse zu enträtseln. Zum „schönsten Spiel des Jahres“ hat die Jury das Agentenspiel „Inkognito“ auserkoren, entworfen von Spielealtmeister Alex Randolph. Er hat sich an dem schon vor einigen Jahren herausgekommenen dedektivspiel „Scotland Yard“ orientiert, es allerdings abgewandelt und um einige Varianten bereichert. Einfach strukturiert, aber dennoch fesselnd: Das Würfelspiel „Sauerbaum“, ausgezeichnet als „kooperatives Familienspiel“. Hierbei müssen die Spieler gemeinsam einen Baum retten, der vom sauren Regen bedroht wird.

Bei einem Spiel des Berliner Leue-Verlags können sich notorische Schwarzfahrer austoben: Es gilt, den Kontrolleuren zu entwischen. Sein Spiel „Behördendschungel“ hat der Berliner Sozialarbeiter Kurt Flechtenstein unter das Motto gestellt: Bürokratie erleben. Beim Arbeitsamt, im Fundbüro und bei der Krankenkasse wird der Spieler mit Leistungskürzungen und störrischen Beamten konfrontiert, kann sich allerdings gegen Ungerechtigkeiten wehren.

Fans feucht-fröhlicher Gelage kommen beim „Oktoberfest“ voll auf ihre Kosten. Der Gastgeber, so steht es in der Spielanleitung, muß gefüllte Maßkrüge und mehrere Stamperl Schnaps bereitstellen und außerdem allen Mitspielern den Autoschlüssel abnehmen. Beim Bummel über die Wiesn gerät man auf „Bierzelt„- und „Schnapsfelder“, die zum Durstlöschen berechtigen. Sieger ist erstaunlicherweise nicht der, der zuerst unter dem Tisch liegt, sondern der, der als erster das Feld „Auf Wiedersehen“ erreicht.

Christine Mattauch