Polens Kapitalismus ohne Kapital

Mehr Raum für Polens Unternehmer / Wirtschaftliche Gesellschaft von A.Paszynski zugelassen / Neues Gesetz soll Liberalisierung für Privatwirtschaft bringen  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

Bis 1981 war er Redakteur der Parteiwochenzeitung 'Polityka‘, danach Herausgeber des 'Przeglad techniczny‘, und schließlich eröffnete er ein privates Beratungsunternehmen für Häuslebauer. Er begann 'Murator‘ aufzubauen, eine Fachzeitschrift für den Eigenheimbau, und heute ist er Vorsitzender der Wirtschaftlichen Gesellschaft, die sich mit Unternehmensberatung, Finanzierung und Wirtschaftspolitik befaßt: Aleksander Paszynski, Polens vermutlich bekanntester Selbstständiger, hat sich bereits einige Verdienste bei der Verkapitalisierung des Sozialismus erworben und hat überhaupt keine Lust, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Als nächstes plant er bereits die Gründung einer eigenen Bank - die Wirtschaftsreform soll's möglich machen. Sie hat auch schon die bisherigen Unternehmungen Paszynskis möglich gemacht, wenngleich die Behörden den Aktivitäten der Wirtschaftlichen Gesellschaft sehr skeptisch gegenüberstanden. Die nämlich soll nach dem Willen ihrer Gründer nicht nur Kleingewerbetreibende beraten, sondern sich auch landesweit aktiv in die Wirtschaftspolitik einmischen.

Drei Jahre hat es daher auch gedauert, bis die Behörden Paszynskis Vereinigung legalisierten: am 14.Oktober genau, und dieses Datum ist nicht zufällig auch jener Tag, an dem ein alter Arbeitskollege Paszynskis polnischer Premierminister wurde. Mieczyslaw Rakowski, Polens neuer Premier, war nämlich Chefredakteur der 'Polityka‘, als Paszynski dort Redakteur war. Paszynski erhielt von ihm auch einen Anruf mit dem Angebot, doch stellvertretender Wohnungsbauminister in Rakowskis neuem Kabinett zu werden. Doch Paszynski lehnte ab, wie noch sechs andere prominente Oppositionelle, die ein ähnliches Angebot erhielten. Seine Pläne sind zur Zeit nämlich mehr wirtschaftlicher als politischer Art. Paszynski will eine eigene Bank aufmachen, auf Aktienbasis. Über kurz oder lang, glaubt er, wird auch Polen nicht ohne eine Börse auskommen, und erst recht nicht ohne unabhängige Banken.

Ein paar Monate im Westen

Schon jetzt beobachtet er verstärkte Bemühungen vor allem junger Leute, sich wirtschaftlich selbstständig zu machen. „Es gibt eine Menge junger Leute, die für ein paar Monate in den Westen fahren, dort arbeiten und dann mit dem Geld, das sie dort verdient haben, hier etwas anfangen wollen“, erzählt er. Ein paar tausend Mark sind für westeuropäische Verhältnisse nicht viel, aber hier in Polen kann man schon eine ganze Menge damit anfangen. „Statt nun einfach herzugehen und sich ein Taxi zu kaufen, kommen manche dann zu uns und fragen, ob wir ihnen nicht etwas Lukrativeres vermitteln können. Wir suchen uns dann Leute zusammen, von denen der eine, sagen wir, die Ideen und die Ausrüstung hat und der andere das Geld.“ Und schon ist wieder eine neue „Spolka“ entstanden. „Spolka“ ist jene Wirtschaftsform, die in den letzten Jahren unter Polens Selbstständigen zu Berühmtheit gelangt ist. Es handelt sich dabei um eine Betriebsverfassung ähnlich der deutschen OHG, eine Art Minigenossenschaft, die man schon zu zweit gründen kann.

Das Hauptproblem, meint Paszynski, für die jungen Unternehmer sei aber, eine geeignete Branche zu finden und sich dort dann auch einzunisten. Um ein eigenes Unternehmen zu gründen, benötigt man bisher nämlich einige Genehmigungen, die sehr schwer zu erlangen sind. Paszynski: „Da ist einmal der Magistrat, der einfach sagen kann, so ein Betrieb ist überflüssig. Rechtlich genügt das für eine Absage. Die gleiche Antwort kann man sich auch von der Gilde holen, die einer Eröffnung ebenfalls zustimmen muß und natürlich überhaupt kein Interesse hat, zusätzlich Konkurrenz zu schaffen.“

Das neue „Gesetz über wirtschaftliche Tätigkeit“, das zur Zeit in Vorbereitung ist, soll diese Barrieren abschaffen. Künftig sollen nur noch Gerichte über die Zulassung neuer Betriebe entscheiden können. Dann steht den Betriebsgründern bei einer Ablehnung auch der Rechtsweg offen. Aus Gnadenakten der Bürokratie sollen Rechtsansprüche der Betroffenen werden. Auch auf anderen Gebieten dürfte liberalisiert werden. Mehr Beschäftigte soll man künftig in einem Privatbetrieb anstellen dürfen. Bisher waren es nur 50, schon in Ungarn sind es inzwischen 500. In vielen Bereichen wird es dann auch genügen, das neue Gewerbe einfach registrieren zu lassen, eine Genehmigung ist dann gar nicht mehr erforderlich.

Wichtige Impulse von der Liberalisierung erhofft man sich in Polen auch im Wohnungsbau. Gerade hat das statistische Zentralamt wieder einen Rückgang der übergebenen Wohnungen im Vergleich zum Vorjahr festgestellt. In Polen weiß man natürlich, daß die Schaffung von Wohnraum einfach deshalb wenig lukrativ ist, weil auf den Mieten privater Wohnungen bis zu 80 Prozent Steuer liegen. Selbst, wer eine Eigentumswohnung hat, darf sie ohne Einverständnis des Erbauers nicht vermieten. Gerade solche Steuer- und Bürokratiehürden sorgen dafür, daß private Betriebe in Polen zu den Mauerblümchen der Wirtschaft gehören.

In Danzig gibt es private Hotels und seit neuestem sogar ein privates Theater, aber so etwas gehört zur Ausnahme. Denn selbst, was das Gesetz erlaubt, läßt die rauhe Wirklichkeit nicht immer zu: Die Probleme beginnen schon bei der Beschaffung des Herstellungsmaterials und der Maschinen. Schon eine simple Schreibmaschine ist in Polen nur für Dollar zu haben - entweder in den staatlichen Devisenläden als Westimport oder auf dem Schwarzmarkt. Paszynski: „Rohstoffe verteilt die Gilde, da die aber knapp sind, muß die sich auch entscheiden, wem sie was gibt. Und da fängt die Korruption dann auch schon an. So befindet sich der Unternehmer immer in der Situation eines Diebs, überaus anfällig für alle Arten von Kontrollen.“ Daran werden auch neue Gesetze wenig ändern. Zwar soll das neue Vereinsgesetz nach den Ankündigungen von Kulturminister Krawczuk sogar private Verlage ermöglichen, doch was hilft das, wenn es an Papier fehlt. Die unabhängige Monatszeitung 'Res Publica‘, ebenfalls ein Privatbetrieb, kann ein Lied davon singen. In den wenigen Monaten ihres Bestehens mußte sie bereits einmal das Lokal wechseln. Weil die Miete zu hoch war, wurde die Zeitung in Privatwohnungen der Redakteure produziert, und der ebenfalls notwendig gewordene Wechsel der Druckerei führte dazu, daß zum Beispiel die Märznummer erst Ende Juli in den Briefkästen der Abonennten lag. Kein Wunder, das Paszynski da auch keine Befürchtungen hegt, in Polen könne ein Kapitalismus westlicher Prägung ausbrechen: „Wie sollen wir das machen“, meint er, „Kapitalismus ohne Kapital?“