Demütigung

■ Die Lenin-Werft wird geschlossen

Nicht die Entscheidung der polnischen Regierung, unrentable Betriebe zu schließen, ist kritikwürdig – auch die Opposition fordert eine moderne Wirtschaftspolitik und den Abbau von Subventionen für unrentable Betriebe. Im Falle der Lenin-Werft jedoch, der Wiege von Solidarnosc, geht es nicht mehr nur um Wirtschaftspolitik. Hier geht es nur noch um die Demütigung der Opposition. Hätte die Regierung den ernsthaften Willen, einen politischen Kompromiß anzusteuern, dann hätte sie gerade in diesem Fall mit der Opposition verhandelt. Am „runden Tisch“, versteht sich. Der jedoch bleibt jetzt verwaist.

Jetzt zeigt sich, daß jene Oppositionellen recht hatten, nicht in die Regierung einzutreten. Wie ständen Paszynski oder gar Trzeciakowski nun da, Vertreter einer Regierung zu sein, die mit allen Mitteln die Opposition kaltzustellen gedenkt. Und jetzt zeigt sich auch, weshalb das Politbüro Rakowski vor Wochen zum Premier machte: Sein Angebot, die verhaßte Solidarnosc auszumanövrieren, wurde ernstgenommen.

Doch der Reform kommt er damit nicht näher. Denn nach wie vor ist sie ohne die Legalisierung von Solidarnosc nicht zu erreichen. Mit der gestrigen Ohrfeige für Walesa jedenfalls hat er der polnischen Gesellschaft einen Bärendienst erwiesen. Rakowski hat weiterhin nur die Wahl zwischen der legalisierten Gewerkschaft oder streikenden Arbeitern. Und vielleicht bekommt er noch, was er überhaupt nicht will: Solidarnosc ohne Kompromiß.

Klaus Bachmann