„Wir haben die Kabel verfolgt“

Prozeß um Stromklau in der Hamburger Hafenstraße / Urteil: 60 Tagessätze a 10 Mark / Ein eifriger Polizist stellte fest: Die Wohnung war „hell erleuchtet“ / Quittung für Glühbirne als Indiz / Richter: Erschwerte Aufklärung  ■  Aus Hamburg Brigitte Jakobeit

Die ehemals besetzten Häuser in der Hamburger Hafenstraße sind nach wie vor politischer Zankapfel. Es geht derzeit um die geregelte Stromversorgung, die nicht zustandekommt. Die Gerichte dagegen beschäftigen sich gegenwärtig mit „illegal angelegten Kabeln“ aus den Vorjahren.

Gestern stand der 25jährige Bodo M., der seit 1984 in der Hafenstraße wohnt, vor dem Hamburger Amtsgericht. Vorgeworfen wurde ihm fortgesetzte illegale Energieentnahme im Zeitraum zwischen dem 20.Oktober 1987 und 29.März 1988.

Einem eifrigen Polizisten war aufgefallen, daß mehrere Wohnungen im Haus Hafenstraße „hell erleuchtet“ gewesen waren. Beim städtischen Wohnungsbauunternehmen Saga hatte er Erkundigungen eingeholt und die Bestätigung erhalten, daß es keine vertragliche Stromversorgung gebe. Daraufhin wurde die Wohnung am 19.November 1987 durchsucht. Er sei, so der Polizeizeuge, mit einigen Mitarbeitern der HEW ins Haus gegangen und habe „die Kabel in den Keller verfolgt“. Nach Durchtrennung der Kabelführung seien dann die Lichter erloschen. Auch danach habe er sich vor dem Haus postiert und mit der Videokamera dokumentiert, daß das seit 1986 von der Stromversorgung abgeschnittene Haus „immer Musterbeispiel“ für Leuchtquellen gewesen sei.

Neben zwei HEW-Elektrikern und einem Saga-Juristen wurde auch ein Beamter der Sozialabteilung St. Pauli in den Zeugenstand bemüht. Er bestätigte, daß der Sozialhilfeempfänger Bodo M. Anträge auf einmalige Leistungen gestellt habe und unter anderem eine Quittung für Glühlampen abgeliefert habe.

Das Gericht verurteilte Bodo M. schließlich zu 60 Tagessätzen, obwohl letztlich nicht geklärt war, wer den Strom entnommen, wer das Licht eingeschaltet hat und woher der Strom gekommen ist. Und obwohl, wie Strafverteidiger Rainer Blohm einwarf, die Schadenshöhe äußerst gering sein dürfte, betonte Richter Stello in der Urteilsbegründung, daß die Aufklärung von Straftaten in den ehemals besetzten Häusern erschwert würden. Der Angeklagte habe versucht, sich „hinter diesen Umständen zu verstecken“.