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Anschlag überschattet Wahl in Israel

Bei einem Brandanschlag auf einen Bus bei Jericho in der Westbank verbrannte eine jüdische Mutter mit ihren drei Kindern / Armee reagiert mit Razzien und Festnahmen / Abschreckungsoperationen angekündigt / Arbeiterpartei befürchtet nun Zuwachs der Rechten  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Wird der Brandanschlag auf einen Bus in der Nähe von Jericho am Westufer des Jordan die heutigen Wahlen in Israel beeinflussen? Eine 27jährige jüdische Frau und ihre drei Kinder verbrannten, fünf weitere Fahrgäste, darunter Soldaten, wurden verletzt, als am Sonntag zwei Molotov -Cocktails in einen Bus geworfen wurden, der von Tiberias am See Genezareth durch das Jordan-Tal nach Jerusalem fuhr. Die Frau stand offenbar unter Schock und konnte nicht dazu gebracht werden, den brennenden Bus mit ihren drei Kindern zu verlassen.

Wenige Minuten später hatten Militärs die ganze Gegend abgeriegelt, eine Ausgangssperre wurde verhängt, auch für die Stadt Jericho mit ihren 17.000 arabischen Einwohnern. In nächtlichen Razzien von Haus zu Haus wurden massenhaft Palästinenser festgenommen. Sieben von ihnen werden nach Angaben der Armee der Tat verdächtigt. Die Bananenplantage, aus der heraus der Angriff auf den Bus erfolgt war, wurde mit Bulldozern plattgewalzt.

Mittlerweile hat ein Aufruf der „Führung der Intifada“, der gestern in einem Flugblatt verbreitet wurde, den Israelis versichert, „unser Aufstand hat nicht das Ziel, Juden zu töten, sondern ist eine Revolte gegen den Faschismus, die Repression und Brutalität der Besetzung“.

Aus Kreisen der Arbeiterpartei ist dennoch die Befürchtung zu vernehmen, der Anschlag von Jericho werde die rechten Parteien bei den heutigen Wahlen stärken; er werde sich auf „Wechselwähler“ auswirken, die in den letzten Wochen eher zur Arbeiterpartei als zum Likud-Block tendiert hätten, „weil sie vom status quo die Nase voll hatten“.

Der Wahlmanager der Arbeiterpartei, Ezer Weizman, zeigte sich jedoch zuversichtlich, weil die Öffentlichkeit erkennen werde, daß Frieden und Sicherheit ohne eine politische Lösung im Nahen Osten nicht zu erreichen seien. Die Führer des Likud-Blocks sind sich sicher, daß der Anschlag von Jericho die Rechte stärken wird, „da die Öffentlichkeit erkennt, daß für Judäa und Samaria (die Westbank, d.Red.)... Fortsetzung auf Seite 2

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... nur militärische Lösungen in Frage kommen - wie es im Wahlprogramm der Likud steht“. Verteidigungsminister Rabin und Stabschef Shomron erschienen am Ort des Anschlags.

General Shomron kündigte an, die arabische Bevölkerung werde unter den Abschreckungsoperationen zu leiden haben. Permierminister Shamir erklärte, mit „angemessenen Maßnahmen“ müsse der palästinensischen Bevölkerung zu verstehen gegeben werden, daß das Leben nicht einfach weitergehen könne, wenn es zu solch gemeinen Morden an Juden komme, hinter denen nur Haß und Mord um des Mords willen stehe, „um soviele Juden wie möglich umzubringen“.

Verteidigungsminister Rabin von der Arbeiterpartei äußerte sich ähnlich und betonte, die Israelis stünden 1,5 Millionen feindlichen Arabern (in den besetzten Gebieten) und mörderischen PLO-Terroristen (auch im Libanon) gegenüber, die alle Israel treffen wollten. Rabin zufolge besteht zur Zeit eine Tendenz, vor den Wahlen in Israel und den USA sowie dem Treffen des palästinensischen Nationalrats in Algier den Terror zu verschärfen. Die Araber, sagte Rabin, ließen sich vom Haß auf Israel und die Juden leiten und lehnten die israelische Besetzung ab.

Der erste Mann der Arbeiterpartei, Außenminister Shimon Peres, versprach, daß Israels Streitkräfte die Mörder fassen werden. Israels Volk sei „vereint im Gefühl von Schmerz und Wut“. In der Arbeiterpartei wurde am Montag heftig über die Konsequenzen des Anschlags diskutiert. Einige Funktionäre meinten, nur noch eine spektakuläre Aktion Rabins, wie eine Massenausweisung von Palästinensern, könne die Wahlchancen iher Partei noch retten.

Die vor dem Anschlag veröffentlichten letzten Meinungsumfragen konnten sich nicht einigen: Die einen gaben Likud, die anderen der Arbeiterpartei eine knappe relative Mehrheit.

Die 27jährige Rachel Weiss war laut Armeeangaben mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern auf dem Weg zu einer Feier in Jerusalem. Insgesamt waren 22 Passagiere in dem Bus, als der Fahrer wegen großen Steinbrocken auf der Straße seine Fahrt verlangsamen mußte, so der Rundfunk. Plötzlich sei der Bus mit fünf Brandsätzen angegriffen worden, das Fahrzeug habe rasch in Flammen gestanden, viele Fahrgäste seien durch die Fenster geflohen.

Die Mutter war laut Augenzeugenberichten mit ihren Kindern im hinteren Teil des lichterloh brennden Busses geblieben. Der Versuch eines jungen Soldaten, der in dem Bus gessesen hatte, die schreiende Frau aus dem Bus zu retten, schlug fehl, weil sie sich weigerte, ohne ihre Kinder zu fliehen. Der Ehemann und Vater der Kinder blieb dem Vernehmen nach unverletzt.

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