Sprachlos

■ Nazi-Begriffe als politische Waffe

Man kann es für Zufall halten, daß zur gleichen Zeit, zu der in der taz über das Wort „gaskammervoll“ in einem Artikel über eine Disco gestritten wird, die AL über „Rassenhygiene“ im Zusammenhang mit Einwanderung, Umwelt- und Wohnungspolitik zu reden hat. Wer beobachtet hat, wie in der letzten Zeit in der Linken Szenerie immer „lockerer“ mit Begriffen aus dem Nationalsozialismus umgegangen wurde, wird nicht am Zufall glauben. Ob bei Demos, Veranstaltungen, Polizeieinsätzen: Beim nichtigsten Anlaß ist der Ruf 'Faschismus!' zur Hand. Man hat sich daran gewöhnt.

Das entschuldigt nicht den Vorwurf der „Rassenhygiene“, der, an einem Tag öffentlich gebraucht, am nächsten mit Bedauern relativiert und zurückgenommen wird. Das entwertet Sprache vollends in einer Zeit, in der Spätgeborene am liebsten gar nicht mehr über deutsche Geschichte reden wollen.

Die Alternative Liste musste dies in aller Schärfe diskutieren bis hin zu der Frage, ob die Spitzenkandidatin noch tragbar ist, obwohl die politische Arbeit von Heidi Bischoff-Pflanz für Flüchtlinge und Asylsuchende, große Anerkennung findet. Vielleicht verführt gerade diese hohe moralische Position dazu, umso leichter und selbstgerecht mit ungeheurlichen Begriffen unliebsame Diskussionen abzuwürgen. Es ist allerdings bei den Argumentationen in der Fraktion fraglich, ob es ausreicht, das Problem mit einer Personaldiskussion in der Öffentlichkeit zu „bereinigen“. Was sich ändern muß, ist die politische Kultur der Partei. Sonst legt man nur den Grundstein dafür, einfach zum Alltag überzugehen. Bis zum nächsten „Vorfall“.

Thomas Rogalla