HBV-Basis gegen Flexibilisierung

■ Kritik an angeblicher Kompromißbereitschaft des Vorstandes auf dem Gewerkschaftstag / Gegen Quotierung und für Veränderung der Arbeitsstrukturen / Neuer HBV-Chef Lorenz Schwegler ist „kein Exot“

Essen (taz/dpa) - So viel Diskussionsfreude war im Terminplan des HBV-Gewerkschaftstages nicht vorgesehen. Eigentlich hätte die Wahl des neuen Vorstandes schon am Dienstag vormittag stattfinden sollen aber selbst am Nachmittag war die Rednerliste noch nicht erschöpft. Erbost äußerten sich einige Delegierte zu Äußerungen aus der HBV -Spitze, daß die Gewerkschaft möglicherweise doch nicht völlig kompromißlos in Sachen Ladenschluß sei. „18 Uhr 30 und kein Schritt weiter“ - dafür, so eine Betriebsrätin aus Köln, „haben wir in den Betrieben mobilisiert.“ Und man könne nicht begreifen, daß diese Aktivität dann durch „windelweiche“ Erklärungen aus der Düsseldorfer HBV-Zentrale in Frage gestellt werde.

Mit 251 von 295 Stimmen wählten die Delegierten dann den 44jährigen Lorenz Schwegler zum Nachfolger des scheidenden HBV-Vorsitzenden Volkmar, der aus Altersgründen nicht mehr kandidierte. Schwegler gehörte dem Geschäftsführenden Hauptvorstand der mit rund 390.000 Mitgliedern sechstgrößten Gewerkschaft im DGB seit acht Jahren an. Er war bislang für die Bereiche Banken und Versicherungen, Arbeitsrecht und Rationalisierung verantwortlich. Der Jurist begann seine berufliche Laufbahn 1971 als Referent für Arbeits- und Wirtschaftsrecht beim Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut des DGB. 1972 bis 1977 war er Referent für Mitbestimmungspolitik beim DGB -Bundesvorstand und wechselte dann als Abteilungssekretär zum HBV-Vorstand.

Der Gewerkschafter, der seine „Hausmacht“ bei den Bankangestellten hat, gehört als Arbeitnehmervertreter unter anderem den Aufsichtsräten der Deutschen Bank, der Allianz Holding AG und der Kaufhof AG an. Daß jedoch Schwegler unter den Gewerkschaftsführern offenbar „kein Exot“ mehr ist, unterstrich Stunden vor seiner Wahl die HBV-Delegierte Dagmar Neumann aus Berlin, die - in einem völlig anderen Zusammenhang - feststellte: „Früher war der Blaumann das Markenzeichen eines Arbeiterführers. Jetzt ist es der nadelgestreifte Zweireiher.“

Ein Tarifvertrag bei der zu 50 Prozent gewerkschaftseigenen Bausparkasse Beamtenheimstättenwerk in Hameln, den die HBV -Spitze als besonderen Erfolg ihrer Arbeitszeitpolitik gefeiert hatte, fand keine ungeteilte Zustimmung. Die vereinbarten Wochenarbeitszeiten (im wöchentlichen Wechsel drei mal neun und zwei mal fünf Stunden sowie zwei mal neun und drei mal fünf Stunden) seien ein Schritt zur Flexibilisierung.

Wichtiger als eine „starre Quotierung“, die vom HBV -Frauenbereich abgelehnt wird, ist nach Meinung einer Delegierten die Veränderung der gewerkschaftlichen Arbeitsstrukturen. Die mit bestimmten Ämtern verbundene Funktionsanhäufung verhindere, daß Frauen trotz unbestreitbarer Befähigung zu derartigen Ämtern kandidierten. Eine Quotierung würde bedeuten, daß die Frauen sich dem derzeitigen Arbeitsstil anpassen müßten, aber genau das müsse geändert werden: „Es gibt viele Gründe, alles beim alten zu lassen, aber nur einen einzigen, etwas zu verändern: „Du hältst es einfach nicht mehr aus.“

marke