Schwarzes für Lachgewohnte

■ Ab heute spielt die Bremer Shakespeare Company „Troilus und Cressida“, achte Shakespeare-Neubearbeitung, ihre erste auf der großen Bühne am Leibnizplatz

„Es ist ein sprödes, ein sehr bösartiges Stück,“ sagt Chris Alexander, Übersetzer und Regisseur der Bremer Neu-Fassung, kühl und fasziniert. „Es hat keine Utopie, was außergewöhnlich ist für Shakespeare. Bei ihm gibt es sonst immer am Schluß die Wiedereinführung einer alten Ordnung oder die Einführung einer neuen Ordnung.“

Es ist eine Art schwarze Komödie, eine Groteske, angesiedelt im Urbild aller Kriege, dem um Troja; es geht um Liebe, die es nicht (mehr) gibt und um jede Menge „Weiber und Brunsthelden“ (Gustav Landauer), die der alte Meister gnadenlos vorführt.

Es ist ein Stück aus einer persönlichen und politischen Umbruchszeit Shakespeares, sagt Chris Alexander, es steht am Übergang von den letztlich doch loyalen, „positiven“ Königsdramen zum pessimistischen Hamlet. Die Company hat vor zweieinhalb Jahren die Königsdramen auf die Bretter gestellt. „Ein Zentralthema dabei war für uns das Problem des Kriegers, die Aggressionsgesellschaft, Männerverhalten. Und wir hatten das Ge

fühl, wenn wir uns mit Shakespeare beschäftigen, diesem Mann um 1600, wo Frauen auf der Bühne überhaupt noch gar keinen Platz hatten, sondern von Männern gespielt wurden, daß wir mit diesem Thema einfach noch nicht fertig waren.“ Chris Alexander las die 'Kassandra'-Bücher der Christa Wolf und schlug dem Ensemble eine Bearbeitung von Troilus und Cressida vor: „Die Sicht einer Frau von heute auf diese Kriegergesellschaft in Verbindung zu bringen mit einem Stück aus der Sicht eines Mannes von 1600: ob das möglich ist, das zu verquicken, auf eine sinnvolle, dramatische Weise.“

Am Ende eines langen Bearbeitungsprozesses wurden drei Kassandra-Scenen steht ein Stück mit drei eingefügten Kassandrascenen und einem dritten Liebespaar. Chris Alexander: „Da gibt es nun in unserer Bearbeitung Troilus und Cressida: die unmögliche Liebe, die durch die Kriegergesellschaft verhindert wird; die Liebe, die bereits eine Lüge ist, die vorbei ist, wenn sie je existiert hat: die große Liebe zwischen Paris und Helena; und die

bewußt aufgegebene Liebe zwischen Äneas und Kassandra, wo Kassandra zum Schluß sagt: Du wirst ein Held sein müssen, wenn du soundsoviel Trojaner aus dem brennenden Troja rettest, und einen Helden kann ich nicht lieben, also kann unsere Liebe sich nicht verwirklichen.“ „Wobei“, ergänzt Pit Holzwarth, der Dramturg, „das Thema Krieg und Liebe eigentlich durch alle Figuren im Stück hindurchgeht und variiert wird.“ Und Chris Alexander: „Also es ist Liebe im Krieg, Liebe zum Krieg und Liebeskrieg.“

Auf die lachgewohnten Fans der Shakespeare Company kommt also einiges zu: ein schwarzes Stück, ohne Licht am Horizont, gewoben aus einem Bündel verworrener Handlungsschnüre, gebrochen zwischen Shakespeare und Christa Wolf und gekrönt von hintersinnig-logischer Rollenbesetzung. Beispiel: Die beiden feindlichen Heerführer, Agamemnon, der Grieche, und der König der Trojaner, Priamus, stecken in der Haut der gleichen Schauspielerin.

Uta Stolle