Wie verschieden Franzosen fotografieren

■ Sowohl im Institut Francais, als auch im Fotoforum hängen ganz besondere Werke französischer Meister-Fotografen: Christian Milovanoff und Arnaud Claass / Der eine verfremdet seine Familie, der andere Gemälde

„Warum Gemäldemuseum? Weil ich meinen Blick gerne über diese ebene Fläche schweifen lasse, auf der sich in wohlgeordnetem Rhythmus jene anderen Flächen, die Gemälde abzeichnen. Glatte Flächen und sonst nichts.“ Christian Milovanoff fotographiert Gemälde, was nicht zu verwechseln ist mit fotografischer Reproduktion. Seine kleinformatigen, wie zu groß geratene Briefmarken auf weißem Karton klebenden Fo

tos, die zur Zeit im Institut Francais gezeigt werden, geben Ausschnitte aus Gemälden wieder. Zusammen mit Teilen des umgebenden Raumes, mit einem Stück des Rahmens und mitunter auch einem weiteren Ausschnitt aus dem nächsthängenden Bild, verschmilzt Milovanoff verschiedene Raum-und Wirklichkeitsebenen. In seiner „galerie imaginee“ pendelt er zwischen zwei Möglichkeiten: Im einen Falle

bleibt ein Teil der Bild-Erzählung erkennbar, wobei in der Regel eine Nebenhandlung in den Blickpunkt gerückt wird. Die andere Variante besteht darin, die Bildhandlung durch die Konzentration auf einen bestimmten Ausschnitt unkenntlich zu machen. Das Spiel vom Bild im Bild erscheint auf die Spitze getrieben in den Aufnahmen von Gian Paolo Panninis Gemälde „Roma Antica“, den einzigen auch, die sich

in Farbe präsentieren. Das Gemälde selbst stellt eine imaginäre Gemäldegalerie mit Ansichten der antiken Monumente Roms und berühmter Kunstwerke des Altertums dar.

Von einem ganz anderen Interesse an der Realität und ihren Erscheinungsformen zeugen Arnaud Claass‘ Fotographien im Fotoforum Fedelhören. Auch bei seinen Arbeiten ist das Besondere nicht, was er fotografiert, sondern die Art, wie er seine subjektive Wahrnehmung dem Betrachter mitteilt und Bekanntes fremd erscheinen läßt. Die Motive zu

seinen „Fotografien '82-'86“ fand er in seiner Umgebung sowie auf Reisen. Seine Arbeiten sind jedoch nicht als Tagebuchaufzeichnungen zu verstehen und noch weniger als „Dokumente“. Claass: „Ich versuche Objekte und Momente einzufangen, wo sich diese Kategorien in der absoluten Zwecklosigkeit des fotografischen Vorgangs verschmelzen.“ Claass Fotografien führen den Betrachter in die Falle. Ihre scheinbare Nähe zu Schnappschüssen oder simplen Familienbildern ließen hohe Erwartungen sicherlich rasch sinken, wenn da

nicht stets ein fesselndes Moment der Merkwürdigkeit wäre. Etwa das Foto eines schlafenden Kindes, das sich bei näherer Betrachtung als Foto der Blumentapete im Hintergrund entpuppt. Das Kind, das zuerst die Aufmerksamkeit auf sich zieht, das doch eigentlich der Punkt des fotografischen Interesses sein müßte, ist vollkommen unscharf. Tatsächlich geht der Blick der Kamera an ihm vorbei und heftet sich an die Tapete, die aus dem Hintergrund nach vorne zu drängen scheint.

Arnaud Claass Fotografien setzen „eine offene, bejahende Haltung und eine geduldige Aufmerksamkeit“ voraus, zumal seine Motivwahl - neben „Familienfotos“ vor allem Landschaften mit und ohne Tiere - zunächst abgedroschen sein mag. Läßt man sich darauf ein, wird Claass Überzeugung vollkommen nachvollziehbar, eine größere Bildintensität eben dadurch erzeugen zu können, daß er diese an sich selbstverständlichen Dinge fotografiert („sie erlauben es mir, eher zu zeigen, daß nichts selbstverständlich ist“). Das schwammige Qualitätssiegel „poetisch“, das womöglich schon im Hintergrund lauern könnte, haben diese Fotografien jedenfalls nicht nötig.

S.H.