Monochrone Farbigkeit

■ Kunstfrühling: Neue Bilder der Villa-Ichon-Friedenspreisträgerin Janet Fruchtmann in der „petite galerie“ und Bilder von Irmgard Dahms in der Galerie Beim Steinernen Kreuz

Neue Bilder der Villa-Ichon-Friedenspreis-Trägerin Janet Fruchtmann sind während des Kunstfrühlings in der „Petit Galerie“ zu sehen, und zunächst sieht es so aus, als seien sie dort fehl am Platz: Ist es nicht absurd, diese großen Formate in ihrer intensiv-monochromen Farbigkeit und ihrer schmerzlichen Dramatik unter die niedrigen Decken der nicht umsonst „petit“, klein, genannten Wohnungsgalerie zu hängen?

Aber gerade dieses ungewöhnliche Ambiente, die unübersehbare Wohnatmosphäre, erlauben es, den Bildern Fruchtmanns näherzukommen - was durch die nüchterne Sachlichkeit einer „puren“ Galerie sicherlich noch schwerer würde.

Die „petit galerie“ suggeriert ein Stückchen jener Geborgenheit, um die sich die Figuren, die Leiber und Köpfe auf Fruchtmanns Leinwänden betrogen sehen. Die Einsamkeit der Tier- und Menschenkreatur, die im Stich gelassen wurde in ihrer berechtigten Hoffnung auf Humanität, ist das Thema der Malerin, das sie im Laufe der Zeit immer stärker eingrenzte und noch konsequenter befreien will von jedweder Ablenkung. Diese totale Konzentration auf das Thema versucht sie auch durch die verstärkte Konzentration auf nur eine oder wenige Farben zu erreichen - was nur teilweise überzeugt.

So wird eine große mehrteilige Arbeit von Zinnoberrot überzogen wie von einer glatten Membrane, durch die wiederum Rot hindurchschimmert. Darin zeich

nen sich die roten Umrisse gliederloser Menschenkörper ab, gekrümmt, gestreckt, gedehnt, gebeugt, drehend, stöhnend. Die Bewegungen sind tänzerisch, doch was hier vorgeführt wird gleicht einem Totentanz, einer verzweifelten Hingabe an sich selbst, eine geistig-emotionale Verbindung zur Umwelt existiert nicht mehr. Doch das Leid, das im Bogen der Köpfe noch potenziert wird, ist kein nurmehr privates und schon gar nicht eines, das um Verständnis und Mitleid heischt. Fruchtmann konstatiert das Schweigen, das der maßlosen Demütigung folgt, in dem ein Mensch schließlich verlorengehen kann.

Gegenüber der roten eine weiße Leinwand. Diesmal sind die Leiber aus verschiedenen Farben in rascher Pinselführung zusammengesetzt, aggressiv im Kontrast. Der Inhalt erscheint dadurch unausgewogen und weniger eindringlich, als sei Fruchtmann selbst vor dem bestürzenden Ernst der eigenen Bilder zurückgescheut.

Während Fruchtmanns Bilder getragen sind von der Erkenntnis um die Auswirkungen lebensver achtender Inhumanität, zeigen die Bilder von Irmgard Dahms in der Galerie Beim Steinernen Kreuz üppig wuchernde Landschaften, lebendige Natur. Pflanzen, Wasser und Erde sind bei ihr zu sehen, die sich in malerisch delikaten Nuancierungen durchdringen. Die „Ambivalenz zwischen dem Grausigen und dem Schönen“ interessiert die Male

rin, und so lauert auch unter der blauesten Wasserstelle, hinter dem lockendsten Gelb die Erinnerung an Zerstörung, an Dunkelheit, an mühseliges Überleben. Wasser fasziniert Dahms als Lebenssymbol, als Zeichen für den unaufhörlichen Weitergang der Zeitläufe. So nannte sie denn auch eine Reihe besonders intensiver kleiner Blätter, die sie auch als Buch drucken ließ, „Panta rhei“, alles fließt, optische Beiträge zu einem Text aus dem Ullysses von James Joyce. Außer den „Wasserstellen“ taucht häufig ein Tunnel auf: lichtloser Schlund, der verschluckt und den Atem nimmt. Doch gleichzeitig existiert Licht, gemalt als helle Flut, dem lebensspendenden Fluß gleich.

Bestechend an der Malerei Irmgard Dahms ist zweifellos die Handhabung der Farben, deren Töne bei aller Leuchtkraft immer gebrochen sind, die einander überlagern in rissigen Schichten oder zarter Glätte, die durchbrochen werden von feinen Linien und überschäumt wie von versteinerter Gischt. Der Mensch ist übrigens immer gegenwärtig, wenn auch nicht immer sichtbar. Sein Schatten aber überlagert alles und bedroht still abwartend das lebendige Werden ringsumher.

Beate Naß

Janet Fruchtmann in „La petite galerie“, bis 6. November, Magdeburger Straße 12, Di - Fr 16 - 19 Uhr u.n.Vereinb.

Irmgard Dahms in der „Galerie Beim Steinernen Kreuz“, bis 12. 11., Mo-Fr 10 - 18, Sa 1O-14.