Verrufene Berufung - OSI-Frauen haben das Nachsehen

■ Rätselraten um Alleingang des Wissenschaftssenators: Entgegen allen Empfehlungen des Fachbereichs berief Turner am Otto-Suhr- Institut einen Listenplatzletzten auf eine Zeitprofessur, obwohl dringend eine prüfungsberechtigte Frauenforscherin benötigt wird

Empörung und zugleich Ratlosigkeit herrscht zur Zeit am Otto -Suhr-Institut (OSI) der FU. Gleich dreifach hat Wissenschaftssenator Turner mit einem am 21.Oktober ergangenen Ruf an den Sozialwissenschaftler Bernd Guggenberger, der in der Berufungsliste des Fachbereichs an dritter und letzter Stelle rangierte, das OSI vor den Kopf gestoßen. In einer einstimmig gefaßten Resolution beklagt der Fachbereichsrat jetzt seinen Unmut darüber (Was sagt der Therapeut des Fachbereichs dazu? d.S.), daß Turner bei seiner Entscheidung nicht den Empfehlungen der Berufungskommission und des Fachbereichs gefolgt sei, er entgegen der üblichen Praxis einen nicht habilitierten Bewerber erwählt und die Grundsätze der Frauenförderung mißachtet habe.

Bei der umstrittenen Berufung handelt es sich um eine Zeitprofessur für die Vertretung des noch dreieinhalb Jahre beurlaubten Querdenkers Wolf Dieter Narr. Vom Fachbereich und der Berufungskommission war für diese Stelle Margit Meyer favorisiert worden, die bereits seit dem letzten Wintersemester Narrs Vertretung als Gastprofessorin übernommen hat. Margit Meyer ist neben der Lehrstuhlinhaberin für Frauenforschung Barbara Riedmüller -Seel die einzige habilitierte und damit prüfungsberechtigte Frau im Spezialisierungsschwerpunkt Frauenforschung. Der heftige Protest von Dozenten und vor allem Studentinnen des Fachbereichs ist deshalb nur allzu verständlich. Dekan Kiersch will sich nun schriftlich an den Senator wenden. Über den weiteren Verbleib von Frau Meyer am OSI wird bereits informell verhandelt. Im Gespräch ist, daß sie als Gastprofessorin über das laufende Semester hinaus beschäftigt, oder aber eine zweite Stelle eigens für sie eingerichtet wird. Obwohl Margit Meyer derzeit eine rechtliche Anfechtung der Entscheidung prüfen läßt, ist der Ruf an Guggenberger wohl nicht mehr rückgängig zu machen. Guggenberger hat bereits signalisiert, daß er den Ruf annehmen möchte. Darüber, weshalb der Senator dem Willen des Fachbereichs zuwiderhandelte, herrscht am OSI Rätselraten. Kiersch: „Ich kann mir keinen rechten Reim darauf machen, zumal wir in letzter Zeit gut mit Turner zusammengearbeitet haben.“ Meyer interpretiert die Entscheidung nicht gegen sie als weibliche Kandidatin gerichtet, sondern vermutet hierin „eine Machtdemonstration“ Turners „in Berufungsentscheidungen“.

Turners Pressesprecher Voigt begründete die Entscheidung auf Anfrage der taz mit dem hervorragenden wissenschaftlichen Renommee Guggenbergers; er sei schließlich Heisenberg-Stipendiat. Das wäre in der Tat ein stichhaltiges Argument - in der Szene wiegt ein solches Stipendium mehr als eine Habilitation -, wenn sich der Senator damit nicht über die schwerwiegende Tatsache hinweggesetzt hätte, daß am OSI dringend eine Frau benötigt wird. Überdies wird gemunkelt, daß bei den Gutachten für die Bewerber nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei.

Der FDP-Abgeordnete Tolksdorff mutmaßte gestern im Frauenausschuß des Abgeordnetenhauses, der Gutachter komme aus „demselben Stall“ wie der Heisenberg-Stipendiat Guggenberger. Das wies Senator Turner natürlich zurück.

Thomas Werres/taz