Flop für die neunziger Jahre

■ Eine Vision für die Universität der Zukunft war geplant, doch nach anderthalb Jahren Planung irrt die FU orientierungslos durch das Labyrinth ihrer Strukturreform / Philosophen droht philosophisches Niemandsland / Eine Polemik zur morgigen Sitzung des Kuratoriums

Als eine attraktive, runderneuerte Universität möchte die FU im nächsten Jahrzehnt ins Rennen gehen, wenn womöglich ein Wettbewerb unter den Hochschulen ausbricht. Morgen soll daher das Kuratorium der FU über eine Neuordnung der FU -Fachbereiche entscheiden, über den umstrittenen „Strukturplan für die neunziger Jahre“. Ganz gleich, was dort die Senatoren und Parteivertreter beschließen werden nach anderthalb Jahren Planerei tappt die FU völlig orientierungslos durch das Labyrinth ihrer Strukturen, blamiert bis auf die Knochen.

Bereits als der Akademische Senat (AS) Anfang 1987 eine Strukturkommission einsetzte, hagelte es Kritik. So sei es unsinnig, eine Normalauslastung von 28.500 StudentInnen vorzugeben - heute sind es doppelt so viele, Tendenz steigend. Auch kämen bei der Suche nach einer neuen Organisationsstruktur die Fachinhalte zu kurz. Schließlich sei gar nicht klar, was die ganze Planerei eigentlich solle; offenbar handele es sich um eine politische Inszenierung.

Nach 14 Monaten geheimer Beratungen legte die Strukturkommission im April ihre Empfehlungen vor. Bereits im Juni wischte der Akademische Senat den mühsam zurechtgebastelten Strukturentwurf wieder vom Tisch. Einmal aufgeschnürt, zerfledderte das Strukturpaket bis zur Gesichtslosigkeit. Mit Geschäftsordnungstricks, knappen Mehrheiten und weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit wurde um Einzelreförmchen gefeilscht, oft ohne Rücksicht auf Fraktionsgrenzen und Sachkompetenz. Einzelne Fächer wurden herumgereicht wie ein warmes Bier, so etwa die Philosophie. In der vergangenen Woche erst wechselte sie erneut den Fachbereich.

Nach dem Willen des AS soll das Institut für Philosophie nun dort bleiben, wo es heute schon ist, nämlich im Fachzusammenhang mit der Soziologie und der Psychologie. Diese revolutionäre Entscheidung war allerdings nicht leicht.

Im April sollte die Philosophie - angelehnt an Vorbilder wie Heidelberg - noch in einen Fachbereich „Geschichtswissenschaften, Philosophie, Theologie“ verlegt werden. Dann, Anfang Juni, geriet sie mit den Ethnologen und Bibliothekswissenschaftlern in einen Fachbereich „Philosophie und Kulturwissenschaften“. Ende Juni waren die Bibliothekare nicht mehr dabei, der Fachbereich hieß nur noch „Kulturwissenschaften“, und eigentlich hatte man das so auch nicht gewollt.

Durch einen Geschäftsordnungs-Winkelzug von FU-Präsident Heckelmann, der die Philosophie in ein unteilbares Abstimmungsbündel einbaute, verschlug es diese schließlich unbesehen ins philosophische Nirgendwo. Nicht nur die PhilosophInnen selbst fanden nun, daß ihr Fach bei den Islamwissenschaften und der Iranistik doch etwas ungünstig plaziert sei. Eine Korrektur dieses Mißgriffs verzögerte der AS jedoch bis in die vergangene Woche.

Während die führenden Köpfe der FU noch versonnen Doktorspielchen mit ihrer Universität treiben, ist die Strukturdiskussion längst gelaufen. Bereits im September befaßte sich nämlich die Hauptkommission des Kuratoriums mit der FU-Strukturreform.

FU-Präsident Heckelmann, als Vorsitzender des AS für den Absturz der Strukturplanung verantwortlich, hat sich seitwärts in die Büsche geschlagen. Bereits im Sommer erklärte er, daß er vor dem Kuratorium weniger den AS repräsentieren wolle, sondern von Fall zu Fall durchaus „anders referieren“ werde. Gleichzeitig will er dem Kuratorium den ganzen Wust der Anträge zur Strukturreform vorlegen, auch wenn sie vom AS abgelehnt wurden. Angesichts dieses Scherbenhaufens wird das Kuratorium gar nicht anders können, als politische statt sachliche Entscheidungen zu treffen.

Heckelmann wird damit gut leben können, freilich auf Kosten der FU. Sie scheint mit ihrer Selbstverwaltung nichts Gescheites mehr anfangen zu wollen - oder zu können.

Marc Werner