Kurz, aber heftig

■ Vom 11. bis 13.November findet in Berlin das 5. Europäische Kurzfilmfestival statt

Der Kurzfilm soll wieder ins Kino kommen, meinen die Veranstalter. Deshalb sind vor dem Festival, vom 3. bis zum 10..11. Kurzfilme als Sonderangebot zwischen Werbung und Hauptfilm in neun Berliner Kinos zu sehen.

Premiere von Bettina Bayer ist offenbar ein verfilmtes Plagiat von Herlinde Koelbls Buch Feine Leute - es geht um feine Frauen. Die Damen, rundweg unsympathische Erscheinungen, müssen mal. Stöckelschuhe hallen über die dreckigen Fliesen der öffentlichen Toilette, dramatisch geschminkte Augen taxieren sich, dicke Schenkel quellen über plastikbezogene Klobrillen, Kontaktlinsen fallen in Bodenritzen, und zu guter Letzt verendet eine Klofrau an einem offenen Elektrokabel.

Wenn schon nur zehn Minuten, dann muß viel, viel Spannung her, und zur Spannung gehören anscheinend Blut und Schweiß. Horror scheint das Credo der jungen Kurzfilmszene zu sein. Im spanischen Beitrag Schatten aus Stein von Juan Carlos Bonete hört man nichts außer dem Todesflehen diverser Knaben, die alle nur das eine gemein haben: Sie besprühen Häuserwände. Eine schöne Unbekannte wurde auf einer Wand verewigt, seitdem jagt sie mit einem großen Küchenmesser alle Sprayer in der Umgebung.

Auch der tschechische Film Der letzte Raub von Jiri Barta ist blutrünstig. Ein Gruselfilm, weniger gruselig als manieriert und überladen. Überhaupt scheint der Rahmen der Kurzfilme vielen Regisseuren zu eng und bestenfalls Sprungbrett zum abendfüllenden Spielfilm. Hoffen wir, daß Rainer Grunert dieser Sprung nicht gelingt. Der Berliner Filmemacher hat eine rührig-peinliche Liebesgeschichte komponiert, Spuren, frei nach Der Bulle und das Mädchen. Eine junge Frau und alleinstehende Mutter stürzt in den Zwischenraum zwischen U-Bahn und Bahnsteig und stirbt, eingeklemmt bis zum Bauch in zärtlicher Umarmung mit einem verheirateten Polizisten. Mehr als daß die Uniform des Polizisten schlecht geschnitten und ihm zwei Nummern zu klein war, kann ich über den Film nicht sagen. Dann doch lieber Werbung.

Oder Dokumentarfilme? Der polnische Film Hoffnung von Tadeusz Palka birst vor Gesichtern, Musik und Pathos. Wer schon weiß, daß die Polen beim Einkaufen Schlange stehen oder an Klaustrophopie leiden, muß ihn nicht sehen. Der Dokumentarfilm Opernball wirkt da eher wie ein Zufallsprodukt, ausnahmsweise nicht prätentiös. „Meine Damen und Herren, hier sehen Sie unser wunderschönes Parlament, dort die traditionsreiche Burg, hier die Geburtsstätte des österreichischen Fußballs... - leitet eine sonore Stimme den Beitrag des Wieners Max Linder ein. Von unserem filmischen Reisebus aus sehen wir aber nicht etwa das Parlament oder die Burg, sondern Vorstadtsiedlungen, einen putzigen Fußballplatz, ungesundes Grau. Mit atemberaubendem Tempo zerrt uns die Kamera durch die Stadt. Linder seziert Klischees und baut sie völlig verzerrt wieder zusammen. „Meine Herrschaften, zum Opernball erwartet Wien wieder Gäste aus aller Welt“ - willkürlich zielt die Kamera auf Passanten. „Hier der Konsul von Slowenien, der Verteidigungsexperte von Südtirol, und da sitzt unser berühmter Heimatschriftsteller Thomas Bernhard.“ Hämisch beobachtet der Zuschauer, wie der vermeintliche Südtiroler Verteidigungsexperte erschreckt sein Aktenköfferchen vors Gesicht hält. Zehn Minuten Tempo und Spott: Dünkel und Hofberichterstattung direkt aus Wien.

Bettina Bausmann

Die Kurzfilm-Tage finden vom 11.- 13. November im Klick, Arsenal und Lupe 1 statt. Kinos mit Kurzfilmen vom 3. bis 10.: Odeon, Gloria-Palast, Kant-Kino, Off, Filmkunst66, Ili, Capitol-Dahlem, Broadway, Lupe1