Venus, hochhackig, zähmt Raubtier

■ Frau und Auto, Mercedes Benz sucht neue Märkte, Berta Benz als Gallionsfigur des zweiten Automobiljahrhunderts, eine Ausstellung

Dietrich Willier

Ein Mann muß wie ein Mercedes sein..., kraftstrotzend hatte die PR-Abteilung des größten Rüstung- und Automobilkonzerns der Republik erst vor einem Jahr seinem nobelsten Produkt, dem Daimler, das Hohelied gereimt und gesungen. Nobel, hieß es da, rassig, intelligent, vernünftig und elegant, müsse er sein, der Mann. Doch dann schrieb man ein neues Jahr, und der Noble spitzte die Krallen, der Edle fletschte die Zähne. Schnell war das vornehme Outfit olivgrünem, rasselndem Eisen gewichen. Nicht mehr das juchtenlederbezogene, servoverstärkte Lenkrad schmeichelte ihm jetzt seine Hände, ein Steuerknüppel mußte es sein. Mit einem Paukenschlag war Daimler Benz wieder in seine alten martialischen Fußstapfen getreten. Erst MTU, dann AEG und Dornier, und bis zum Ende des Jahres soll MBB den größten europäischen Rüstungskonzern komplettieren. Der Mercedes-Mann hatte wieder sein zweites Janusgesicht und war häßlich geworden.

Vor einem Jahr war Matthias Kleinert, ehedem Staatssekretär und Regierungssprecher in Lothar Späths Kabinett, als Konzernsprecher in Daimlers Chefetage gewechselt. Er, Kleinert, der Freund schöner Frauen, konnte den jähen Imagewandel doch nicht auf sich sitzen lassen. Er, Kleinert, der dem Konzern für Kunst und Kultur und die die sie machten, Millionen entlockte, konnte doch nicht zusehen wie der glänzende Stern sich in Pulverdampf hüllte. Schnell war das Pendant zum waffenstarrenden Macho gefunden - ganz traditionell, die friedliche Frau.

B.B., so war aus dem Munde des Konzernsprechers zu hören, stehe seit vergangener Woche nicht mehr für die Initialen einer französischen Schauspielerin, sondern für Berta Benz. Das Auto habe sich längst vom Mann emanzipiert, das zweite automobilisierte Jahrhundert stehe unter der Herrschaft der Frau.

Plötzlich öffneten sich verschwiegne Konzernarchive. „In mir lockt etwas, und läßt mir keine Ruh“, soll Berta ihren Karl schon vor hundert Jahren zur Fertigstellung seines motorisierten Dreirads gedrängelt haben, dann ritt die Sanftmütige auf dem Motorwagen von Mannheim nach Pforzheim. Mercedes, die elfjährige Tochter des Leipziger Konsularagenten und Autohändlers Emil Jellinek lieh den Daimler-Mobilen den Namen. Frauen reüssierten mit Mercedes auf Rennpisten, und warben in den dreißiger Jahren als Heroinnen der Arbeit leichtgeschürzt für die neuesten Luxusmodelle. Kaum gab es Schauspielerinnen oder Frauen des Show-biz, die nicht ans Volant eines Daimler drängten, am Steuer ihres Mercedes 300S Cabrio saß nicht Aga Khan, sondern die Beghum. Rosemarie Nitribitt brachte den 190 SL in die Schlagzeilen, und Nadja Tiller alle beide ins Kino. Das erotische Verhältnis von Frauen zum Automobil, fabuliert 'FAZ'-Redakteurin Mariela Sartorius, sei wie zu Tarzan, der sie entführt, wenn es brenzlig wird - ein liebenswertes Spielzeug, Frauen gemäß.

Frau und Auto. Seit einer Woche präsentiert Daimler Benz im Messegelände des Stuttgarter Killesberg auf 2000 Quadratmetern seine Show: Wunschauto und Frauen, die die Kurve kriegen, Fahrstil, Zeitgeist, Frauen in Automobilberufen, die Ästhetik unerläßlicher Bordaccessoirs, und inmitten ein Tempel aus Styropor, aber weiß, gewidmet der goldenen Silhouette einer Berta Benz.

Prunkvoll die Vernissage, Fressen vom Feinsten an sechs Buffets und Champagner aus Magnumflaschen. Auch Damen waren zugegen, als Ehefrau, Tochter, als Rennfahrerin und zur Bedienung. Man betrete Neuland, verkündet der Konzernsprecher, auch aus gesamtgesellschaftlicher Mitverantwortung. Mehr Kameradschaft fordert Vorstandsmitglied Werner Niefer, und gleiche Chancen, bei Daimler Vorstandsmitglied zu werden. Jeder zweite Führerschein doch nur jeder zehnte Mercedes geht derzeit an eine Frau.

Dann tritt die Automobilistin der Zukunft ans Pult. Intelligent, erfolgreich, emanzipiert, edel und fein onduliert: „Professor Dr. phil. Gertrud Höhler“. Nur Märchen, sagt sie, lebten noch von der Immobilität der Frau: „Sie wartet, er reitet herbei, sie winkt am Fenster, läßt einen Handschuh fallen - er verschwindet am Horizont!“ Applaus. „Dann war ihr Platz fürs PR auf der Kühlerhaube, denn ohne Frauen gibt auch ausgereifteste Technik nichts her.“ Schluß damit! Frauen, so die Statistik, fahren ebensogern schnell wie auch Männer, nur gelassener, besonnener und vernünftiger, alkoholfreier und gehorsamer. Enttäuschend nur, so Frau Professor: „Nur zehn Prozent Frauen fahren lustbetont!“

Doch da wirft Frau Professor die blonden Locken zurück und zieht ihren Trumpf: „Wo blieben sie wohl, die männlichen Spielräume für Imponiergehabe, wenn Venus hochhackig an der blanken Flanke ihres Raubtiers entlangstreift? - Raubkatze handzahm, schmatz, öffnet sich die Tür, ein leises Klirren ihrer Kluncker am Schlüssel, flüsternd versinken die Scheiben, lautlos dreht sie den Schlüssel, das Raubtier summt, der Nachtwind greift der Dompteuse ins Haar, schon fliegt sie davon - Cinderella ist wachgeküßt.“ - Andacht beim Vernissagenpublikum, Betroffenheit gar, verlegen nippen geladene Gäste ein wenig Champagner. „Worauf wir noch warten“, und Frau Professor wird fordernd, „ist das Auto als Luxusgegenstand, High-Tech in Frauenhand, der kleine Daimler, denn die Dompteuse sei großer Limousinen endgültig leid.“ Applaus, und zurück zu Lachspastete und Wildmedaillons.

„Ich bin sicher“, hatte Vorstandsmitglied Werner Niefer die Frau Professor angekündigt, „daß sie uns auch heute in Heiterkeit etwas über den Fortschritt lehrt.“ Auch Konzernsprecher Matthias Kleinert gab sich charmiert, der immerfort Suchende nach schönen und daimlergerechten Frauen war fündig geworden. Dienstag, Allerheiligen, in Süddeutschland ist das ein Feiertag. Tausende junger Männer zerren Frauen und Freundinnen durch Stuttgarts Automobilschau, weg von den kleinen Hondas, Renaults, Peugeots, hin zu Porsche und den Blechkünstlern des Tuning. Im gedämpften Ambiente von „Frau und Auto“ gibt's ein Glas Sekt zum Prospektmaterial und den Vergleich von Frauen mit rassigen Wagen. Golden und unbeachtet trohnt Berta Benz in ihrem weißen Styroportempelchen.