FMLN beschießt Truppen-Hauptquartier

■ „Befreiungsfront Farabundo Marti“ (FMLN) greift den Stützpunkt der Nationalgarde in San Salvador an / Vier Tote und 35 Verletzte Garnison sollte offenbar nicht gestürmt werden / Der neue Armee-Chef Ponco hatte vorher behauptet „FMLN hat keine Schlagkraft“

San Salvador (taz) - Mit einem kühnen Überraschungsangriff überfiel die salvadorianische „Befreiungsfront Farabundo Marti“ (FMLN) am Dienstag bei hellichtem Tage das Hauptquartier der Nationalgarde am Rande der Innenstadt von San Salvador. Ungefähr eine Stunde lang beschoß die Guerilla aus etwa 800 Metern Entfernung die schwer bewachte und mit hohen Mauern umgebene Basis. Vier Nationalgardisten wurden getötet und 35 weitere verletzt, unter ihnen auch Oberst Jose Humberto Gomez, Chef dieser Truppe, die in ihrem Hauptquartier 1.200 Mann stationiert hat.

Eine unbekannte Zahl von Guerilleros habe nachmittags um 15.30 Uhr die Garnison von verschiedenen Seiten her mit Mörsern und Gewehrfeuer angegriffen, gab Oberst Leopoldo Hernandez, Vizeminister für öffentliche Sicherheit, bekannt. Soldaten berichteten, ein Granate sei im Waffendepot eingeschlagen und habe mehrere Explosionen ausgelöst. Beim Angriff wurden verschiedene Gebäudeteile, darunter das Offizierskasino, der Speisesaal, der Verwaltungstrakt sowie zwei Schlafräume der Gardisten zerstört. Eine Autobombe, die in unmittelbarer Nähe der Garnison explodierte, zerstörte nach Angaben der Militärs zwei Fahrzeuge und verletzte drei Zivilpersonen. Eine weitere Autobombe soll rechtzeitig entschärft worden sein.

Oberst Hernandez sprach von einer Propagandaaktion der Aufständischen. In der Tat ging es der Guerilla offenbar nicht so sehr um einen militärischen Schlag, sonst hätten sie wohl nachts angegriffen, und es hätte beträchtlich mehr Tote gegeben. Auch als Hunderte von Nationalgardisten in die nahegelegenen Straßen flüchteten und ziellos um sich schossen, hielten sich die Angreifer zurück. Sie unternahmen keinen Versuch, die Garnison zu stürmen.

Der spektakuläre Angriff vom Dienstag fiel mit der Übernahme des Oberbefehls der salvadorianischen Armee durch Oberst Rene Emilio Ponce zusammen. Er löst den bisherigen Armeechef Jose Blandon ab. Während Blandon als Mann Duartes gilt, steht Ponce der rechtsextremen ARENA nahe und verspricht, die Guerilla militärisch zu besiegen. Er gilt als der Hardliner unter den Militärs. Noch kurz vor dem Angriff der Guerilla hatte Ponce geprahlt, daß die FMLN keine ernsthafte militärische Schlagkraft mehr habe. „Sie kann nicht zurückschießen“, hatte er gespottet, und sprenge deshalb nachts Hochspannungs- und Telefonmasten.

Die FMLN hatte angekündigt, sie werde im Rahmen einer größeren Offensive auch in San Salvador angreifen. Der Überfall auf das Hauptquartier war die erste militärische Aktion der Guerilla in der Hauptstadt seit dem Januar 1981. In der Nordprovinz Chalatenango griffen etwa hundert Rebellen am frühen Dienstag morgen die Gemeinde San Francisco Morazan an und brannten das Rathaus, das Fernmeldeamt, das Gericht und das Bürgerhaus nieder. „Radio Venceremos“ kündigte für diesen Monat eine landesweite Großoffensive an unter dem Motto: „Tod der Reagan-Politik, Yankees raus aus El Salvador“.