Waldsterben stabil

■ Weiterhin sind 52 Prozent aller Bäume krank / Trotz günstiger Witterung keine Besserung / Landwirtschaftsminister Kiechle legt amtliches Krankenblatt vor

Bonn (ap/taz) - Mehr als die Hälfte des deutschen Waldes bleibt durch die anhaltende Luftverschmutzung geschädigt und krank. Nach der gestern von Landwirtschaftsminister Kiechle vorgelegten Waldschadens-Inventur 88 beläuft sich die amtlich registrierte Morbidität auf 52,4 Prozent. Damit sind gegenüber dem Vorjahr O,1 Prozent mehr Bäume als krank erfaßt, insgesamt 3,9 Millionen Hektar. Dieses anhaltende Waldsterben auf hohem Niveau nannte der Landwirtschaftsminister „nach wie vor bedrohlich“. Kiechle forderte verstärkte internationale Anstrengungen für eine saubere Luft.

Auf die Forderungen von Grünen, SPD und Umweltverbänden nach einem Tempolimit und Katalysator-Zwang ging Kiechle nicht ein. Er appellierte lediglich an die Autofahrer, den Drei-Wege-Katalysator auf freiwilliger Basis verstärkt einzusetzen: „Wer etwas für den Wald tun will, der sollte sich ein solches Auto kaufen“.

Bei den einzelnen Baumarten hat sich nach Kiechles Angaben der Zustand der Tanne deutlich, der von Fichte und Buche leicht gebessert. Stark zugenommen hätten dagegen die Schäden bei der Kiefer und vor allem bei der Eiche, die schon zu 70 Prozent krank sei. Nach der Tanne ist die Eiche jetzt die am stärksten betroffene Baumart. Die Gründe für den besonders schnellen Tod der Eiche seien noch nicht bekannt. Als Hauptursache für das Waldsterben nennt Kiechles Bericht nach wie vor die Schadstoffe in der Luft, vor allem Schwefeldioxid und Stickoxide. Die Witterungsbedingungen seien demgegenüber eher gut gewesen. Aber trotz des günstigen Wetters sei es, so Kiechle, nicht gelungen, das Waldsterben einzudämmen. Angaben von SPD und Umweltver Fortsetzung auf Seite 2

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bänden, wonach sich die Kosten für das Waldsterben auf jährlich 5,5 bis 8,8 Milliarden DM belaufen, bestätigte der Minister nicht.

Die regionale Entwicklung war im vergangenen Jahr nach Kiechles Bericht sehr unterschiedlich. Einem leichten Rückgang der Schäden in Bayern, Baden-Württemberg, NRW und Schleswig-Holstein steht eine Zunahme in Niedersachsen um zehn Prozentpunkte gegenüber. In den Problemregionen Bayerischer Wald, Schwarzwald und Rhön wurden deutliche Verbesserungen festgestellt, im Harz jedoch starke Verschlechterungen. Die SPD warf der Bundesregierung gestern eine katastrophale Fehleinschätzung in der Vorhersage der Schadstoff-Entwicklung vor. In ihrem Alternativ-Konzept zur Luftreinhaltung fordert die SPD unisono mit den Grünen erneut ein Tempolimit, strengere Abgas-Grenzwerte und die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Bahn.