Keine Gnade für „Altfälle“

40 Flüchtlinge verschiedener Nationalitäten sollen aus Hessen abgeschoben werden / Antrag im Petitionsausschuß verworfen / Die EmigrantInnen sind schon über zehn Jahre in der Bundesrepublik  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Im Rundumschlag entschied der Petitionsausschuß des Hessischen Landtages gestern über zehn Einzel- und Familienschicksale. Die EmigrantInnen, insgesamt 40 Menschen verschiedener Nationalität, werden abgeschoben. Sie hatten sich an den Gnadenausschuß gewandt, nachdem ihre Aufenthaltserlaubnis nicht mehr verlängert worden war. Sie gelten als sogenannte „Altfälle“, denn allesamt durften sie bisher trotz gerichtlich abgelehnter Asylanträge mit Duldung der Behörden in der BRD bleiben. Viele leben schon über zehn Jahre hier, ihre Kinder kennen das Herkunftsland der Eltern nicht und sprechen nur Deutsch, teils sind sie mit deutschen PartnerInnen verheiratet.

Im Ausschuß standen die Zeichen gestern vormittag auf Sturm. SPD und Grüne konnten sich jedoch gegen die knallharte Linie der Regierungsparteien CDU und FDP nicht durchsetzen. Sie mußten sich vielmehr hämische Bemerkungen über die verhandelten Fälle anhören. Ein Vertreter des Innenministeriums zum Beispiel erkannte in einem Fall klipp und klar, daß es sich nur um eine „Scheinehe“ handeln könne, weil die deutsche Ehefrau des Antragstellers älter sei als der Mann. Bei einem anderen Fall mokierte sich der CDU -Abgeordnete Hamer darüber, daß sich ein Mann von einem ihm unliebsamen Rechtsanwalt vertreten ließ, dem Ex-Abgeordneten der Grünen, Roland Kern. Hamer: „Da wissen wir doch gleich, woher der Wind weht!“ Nur in einem einzigen Fall entschied der Ausschuß zugunsten einer Antragstellerin. Die Frau könne „als alleinerziehende Mutter“ bleiben, während bei anderen die „intakte Familie“ flugs zum Abschiebungsgrund wurde. Die Frau allerdings hatte vorher schon eine öffentliche Zusage der Frauenbeauftragten Geschka (CDU) erhalten.

Zu dem brutalen Vorgehen des Petitionsausschußes sagte der grüne Abgeordnete Bernd Messinger: „Hier ist tabula rasa gemacht worden, um ein Exempel in Sachen Altfälle zu statuieren.“ SPD-Pressesprecher Zinnkann erklärte, CDU und FDP hätten sich zu „Exekutoren der inhumanen Politik von Innenminister Zimmermann“ gemacht und „Bahn frei“ geschaffen für künftige unmenschliche Entscheidungen. Er habe den Eindruck gewonnen, die Mehrheit des Ausschusses habe die Einzelfälle gar nicht prüfen wollen, sondern habe schon vorher den Vorsatz gefaßt, eine harte Linie zu fahren. Bisher war es im hessischen Petitionsausschuß Praxis, abgelehnten Asylbewerbern, die schon lange in der Bundesrepublik leben und ihren Familienmittelpunkt hier haben, nicht abzuschieben, sondern zu „dulden“. Damit soll nach dem Willen der Landesregierung jetzt Schluß sein. SPD und Grüne haben angekündigt, daß sie die abgelehnten Fälle vor das Plenum des Hessischen Landtags bringen und so eine öffentliche Diskussion erzwingen wollen.