Fries der Anspielungen

■ Um das Theater am Leibnizplatz herum ist zu sehen, wozu die Bremer Shakespeare Company acht Kunststudenten und einen Prof. inspiriert hat

„Da, da ist ja nochmal Willi unter den Zuschauern“, sagte der Oberbefehlshaber der abendlich am Leibnizplatz kämpfenden feindlichen trojanischen und griechischen Armeen, gestern morgen erschienen incognito als Anke Engelsmann voll entzückt. Tatsächlich: da rechts der Buch

haltertyp mit Stirnglatze ist Willi Shakespeare, ein bißchen oberhalb vom hintersinnlich-blauen Blick der Paula Becker -Modersohn, die sich auch ihr Leben als Wille und Vorstellung der Company besehen gekommen ist.

Wir stehen hinten, auf der Straßenseite des Theaters am Leibnizplatz, also eigentlich stehen wir vorne, also es ist eben alles ein bißchen pervers hier, verkehrt rum; frierend stehen die KunststudentInnen, die diesen Parthenon-Fries für den Tempel der polymorph-perversen Musen in der Neustadt in monatelanger Klausur in den Semesterferien entworfen, gemalt und genäht haben, vor ihrem Oeuvre, nebst ihrem Professor Peter Schäfer; die Farben stechen in die Novembersonne, der Frost sticht Farbe in unsere Nasen und Kälte in die Füße, seit mehr als einer Stunde wandern wir um diesen Fries, zusammengesetzt aus riesigen Einzel-Leinwänden, bemalt mit schlichten Hauswandfarben, die aber leuchten wie aquarelliert, oder bedruckt oder als schaumgummigestützte Wandplastik gemacht. Ein Fries, ein Gesamtkonzept, das stammt von Schäfer, aber es gibt so viel Techniken wie Menschen, die es realisiert haben, nämlich neun, und es gibt soviel darauf zu

entdecken, daß wir inzwischen einträchtig der Meinung sind: hier muß die Stadtrundfahrt vorbeikommen, alternativ oder blaubehosteßt. Kurzum: die frierenden Betrachtenden hat die wärmende Begeisterung gepackt.

Von Astrid Klüvers ZuschauerInnen mit Willi und Paula wandern wir nochmal rückwärts, vorbei an den Gauklern mit den wunderschönen Füßen und dem Streichholz, das erst von ganz dichte bi als König zu erkennen ist (Druckgraphik von Rainer Franzen), vorbei an Cordula von Heymanns Macbeth wogengeborenen Strichhexen zur Bianca aus der „Widerspenstigen Zähmung“, einer Picasso-Kirchner-Mutation von Marco Dovidat, nochmal einen Schritt zurück zu Josefine Warfelmanns Othello, der in einer Rüstung, die zugleich sein aufgerissenes Inneres nach außen stülpt, eine Riesendesdemona-Leiche auf uns zu schleppt bis zu der Wandplastik Anja Schindlers, die den Regenschirm der Bianca, das zentrale Requisit aus „der Widerspenstigen Zähmung“ nochmal plastisch variiert. Diese „gerümpel„hafte Plastik (Peter Schäfer) führt um die Ecke des Gebäudes, das die Gerümpelkammer der Company beherbergt, herum auf die Seite, die

die TheaterbesucherInnen in der Regel als einzige sehen werden. Weil das so ein Jammer ist, beginnt dieser Artikel seine Führung von „hinten“. Der auch nur zum Richtig -Hinsehen, umsonst und draußen, verführen will und von „vorne“ deshalb nur noch den Aufbau andeutet: das geht vom historisierend-prechtlschen „king“ Willi Shakespeare links (von Hartmut Schröder) über die SpielerInnen der Company und die Namen ihrer Inszenierungen bis zu den drei in ihren Stücken immer wiederkehrenden Figuren: dem Männer- und Frauenrollen vertauschenden transvestitischen Mischwesen, dem König und dem Narren (von Thekla-Amadea Böhmer). Und ganz rechts hängt jeweils ein Bild zum „allerletzten Stück“, im Augenblick also zu Troilus und Cressida.

Das Spiel mit Brüchen, mit dem Gegeneinandersetzen von Sprachen und Stilen, das die Company als Theater macht, haben diese Bremer Studentinnen der Malerei, der Graphik und der Mode mit den Mitteln ihres Metiers auch versucht. Und einen Parthenon der An- und Umspielungen zuwege gebracht, vor dem sichs rätseln läßt, bis einem der Frost die lüsternen Nüstern abfallen läßt.

Uta Stolle