Freundliche Berichtigung

■ Was war die „Schlacht am Tegeler Weg“

Politische Jahrestage werden allmählich unangenehm, doppelt, wenn man selbst beteiligt war. Zwanzigster Jahrestag der „Schlacht am Tegeler Weg“ und der verärgerte Teilnehmer überprüft bedrückt, was er in den letzten zwanzig Jahren getrieben hat. Für die taz bestätigt dieses Datum den „Trend zur Abschreckung“ durch die Polizei, die Kontinuität von Tschako zur EbLT. Protest! Die heutige Linke ist offenbar polizeisüchtig und repressionsgeil, sieht selbst in der Vergangenheit nur noch Uniformen.

Diese Straßenschlacht vor zwanzig Jahren war der erste und einzige Sieg auf der Straße in militärischen Kategorien. Wir hatten uns militärisch vorbereitet; Genossen hatten preiswerte Motorradhelme aus der DDR organisiert; „Apo -Anwalt“ Mahler sollte aus den Fängen der Justiz herausgeschlagen werden. Als der Sturm begann, fuhr ein Lastwagen vor - man glaubt es kaum - beladen mit Pflastersteinen. Später wurde behauptet, Verfassungsschutzspitzel Urbach habe ihn organisiert. Wenn's wahr wäre, muß man zugeben, daß der Verfassungsschutz zuweilen das Richtige macht. Aber Schluß mit Kriegserinnerungen. Bilanz: 130 verletzte Polizisten und 21 verletzte Demonstranten. Die BILD-Zeitung wurde auf einmal ganz sachlich.

Dieser Sieg, bei dem alle sofort begriffen, daß er nicht wiederholbar war, daß hier eine Grenze der „Bewegung“ berührt wurde, entwickelte sich alsbald zum Mythos. Die Parteiaufbauer sahen hier den historischen Auftritt des kämpfenden Proletariats; die Stadtguerilleros ließen sich täuschen von einem „Militanzniveau“ der „Bewegung“. Die Gunst einer glückhaften Stunde sollte durch Strategien verewigt werden. Natürlich wurde die neue Ausrüstung der Polizei, die schon im Gange war, beschleunigt. Wer will's ihnen verdenken, nachdem an diesem Morgen die Garde der Revolution mal eben zum Sturm auf das Winterpalais ansetzte. Aber wichtig an diesem Tag ist einzig dies: es war der militante und vielleicht auch triumphale Abschluß der 68er Bewegung.

Klaus Hartung